Die Leopardin
Offenbar seid Ihr ein noch gröÃerer Lügner
als mein Bruderherz.« Schwerfällig nahm Waleran Platz. Er begann Fett
anzusetzen, und die feuchte Hitze machte ihm zu schaffen. Doch das
hätte er um nichts in der Welt zugegeben. Das Dampfbad, das der in
Ungnade gefallene, neulich verstorbene Bischof von Salisbury erbaut
hatte, galt als der Gipfel des Luxus. Ein Sprung in den ruhigen
FluÃteich und ein kurzes Untertauchen in einer Wanne waren die
normalen, wenn auch selten angewandten Reinigungsmethoden, die Waleran
bevorzugte. So ein dampfendes Badehaus roch stark nach
Ausschweifung â insbesondere, wenn ein Krug mit erstklassigem Wein
von Hand zu Hand wanderte.
Renard war an diese Art zu
baden gewöhnt. In Antiochien gab es mehrere solcher Einrichtungen, mit
hübscheren Wärtern als Waleran von Meulan, falls man auf so etwas Wert
legte, und Frauen, wenn man der anderen Geschmacksrichtung zuneigte.
Dort tauschte man Klatschgeschichten aus, enspannte sich im
Freundeskreis â oder man intrigierte und schmiedete Pläne, so wie
Stephen in diesem Augenblick.
An die Wand gelehnt, die
Lider halb geschlossen, beobachtete er den König, der einen Schluck aus
der Karaffe nahm und sie dann an Leicester weiterreichte. Er will sich
nicht betrinken, dachte Renard. Nur eine subtile Geste, um die
Kameradschaft zu betonen, die während der Jagd gehegt und gepflegt
worden ist. Noch mehr Ritter hatten daran teilgenommen, aber es
teilweise vorgezogen, die konventionellen Badehäuser in der Stadt
aufzusuchen, wo Frauen zur Verfügung standen, während die anderen
überhaupt nicht badeten. Letztere vertraten den Standpunkt, man müÃte
den Schweià am besten auf der Haut trocknen lassen und den Geruch als
Zeichen harter Mühsal verströmen. Zu diesen zählte Ranulf de Gernons.
»Hört mal.« Stephen stieà Renard an. »Ich habe einen Blick in Eure Urkunde geworfen.«
Die
Karaffe gelangte wieder in Renards Hände. Er tat nur so, als würde er
trinken, und musterte Stephens rosiges, ernsthaftes Gesicht. »Sie ist
gültig«, erklärte er in ruhigem Ton und reichte den Wein an Leicester
weiter. »Denn sie trägt die Siegel von Eurem GroÃvater und William
Rufus.«
»O ja, sie ist gültig«, murmelte Stephen. »Malde und ich haben lange darüber diskutiert.«
Und Maldes Meinung ist der entscheidende Faktor, sagte sich Renard.
»Sie
überlegt, ob Ranulf einen Anspruch auf Caermoel anmeldet, weil das
Schloà von Eurem Vater und Hugh d'Avrenches gemeinsam erbaut wurde.«
D'Avrenches,
Ranulfs GroÃonkel, war vor vierzig Jahren, zur Entstehungszeit der
Festung Caermoel, der Graf von Chester gewesen â und nicht nur
Guyons Verbündeter, sondern auch ein guter Freund.
»Ich
weiÃ, sie teilten sich die Baukosten«, antwortete Renard. »Aber kurz
nach der Schlacht von Tinchebrai kaufte mein Vater den anderen Anteil.
Seit meinem Geburtsjahr gehört Caermoel zur Gänze uns.« Er verlieà die
Bank und übernahm die Aufgabe, die heiÃen Steine mit Wasser zu
beträufeln. Der zischende Dampf erzeugte einen grauen Schleier, der den
König halb verdeckte. »Sollte Ranulf etwas anderes behaupten, lügt er.«
Stephen
spielte mit dem Fransenrand seines Handtuchs und blinzelte verwirrt.
»Ihr müÃt meine schwierige Situation verstehen. Da ich mir der
Loyalität Chesters keineswegs sicher bin, kann ich's mir nicht leisten,
ihn zu erzürnen. Ich will nicht, daà er mit seinem Bruder nach Bristol
galoppiert und Maude seine Unterstützung anbietet.«
»Andererseits«,
begann Leicester und rieb mit dem Daumen über seine Nasenspitze, »könnt
Ihr's Euch auch nicht leisten, Renard nach Bristol zu treiben. Und Ihr
wollt wohl kaum einen Garnisonswechsel auf Caermoel sehen, oder?«
»Keins
von beiden!« Stephen schaute ehrlich erschrocken drein. »Die Urkunde
ist gültig, und wir müssen uns danach richten.« Durch den Dampf, der
sich allmählich auflöste, sah er Renard an. »Ich bitte Euch nur, die
Gründe zu respektieren, warum ich Euer Anrecht auf das Land nicht
öffentlich verkünde. Ihr habt Zeugen hier in Beaumont und Meulan, laÃt
es dabei bewenden.«
Renard dachte eine Weile nach, dann
nickte er steif. »Aber wenn sich Chester in die Nähe von Caermoel wagt,
steckte ich das Grenzland in Brand, um ihn aufzuhalten.«
»Damit muà ich rechnen.
Weitere Kostenlose Bücher