Die Leopardin
leidenschaftlicher.
»Du
verrückter halbwalisischer Hurensohn, laà mich los!« kreischte eine
hohe angstvolle Stimme. Alle Schafe begannen nervös zu blöken und
drängten sich aneinander. Renard starrte zu zwei Jungen hinüber, die
sich neben dem Misthaufen bekämpften. Ein brauner Kopf richtete sich
auf, dünne Arme schwangen umher, zwischen zusammengebissenen Zähnen
wurde ein derber walisischer Fluch ausgestoÃen. Sein kugelrunder Gegner
wehrte die Angriffe mühelos ab und fuhr fort, nach einer Leiche zu
treten, die am Galgen hing. Erschrocken rannte Eleanor auf die beiden
zu. Renard schrie einen Befehl, wurde aber ignoriert, weil die zwei
Streithähne alles um sich herum vergaÃen. »Owain, Guy, hört sofort
auf!« rief Eleanor und umkreiste die ineinander verkeilten Jungen, auf
der Suche nach einer Lücke, wo sie ansetzen konnte, um sie zu trennen.
Renard hinkte einer Küchenmagd entgegen, die zwei Eimer mit
Brunnenwasser schleppte, nahm ihr einen ab und trug ihn zum
Kampfschauplatz. Ein eiskalter Guà scheuchte die Jungen auseinander.
Hustend schnappten sie nach Luft. Renard stellte sich zwischen sie,
entschlossen, keine Partei zu ergreifen. Es war sinnlos, nach dem
Schuldigen zu fragen. Burschen in diesem Alter hatten die Kunst der
Lüge bereits vervollkommnet, oder sie sahen die Wahrheit aus einem ganz
anderen Blickwinkel als die genervten Erwachsenen.
»Du bist Guy d'Alberin, nicht wahr?«
Zähneklappernd
zog der Junge die triefnassen Schultern hoch. »Ja, Mylord«, bestätigte
er und erschauerte in einem plötzlichen WindstoÃ.
»Und du?«
»Owain
ap Siorl, Mylord.« Stolz hob der andere Junge das Kinn. Aus seiner Nase
tropfte Blut, aber er gab vor, es nicht zu bemerken.
»Es
war seine Schuld«, wurde er von Guy d'Alberin bezichtigt. »Er hat
angefangen. Nicht einmal einen harmlosen Scherz kann er vertragen, ohne
aus der Haut zu fahren.«
Damit hatte Renard alles
erfahren, was er wissen wollte. Insbesondere, als der Waliser die
Lippen zusammenpreÃte und seine dunklen Augen wütend funkelten.
»Mit
solchem Unsinn verschwendet ihr also eure Zeit und eure Kräfte«,
bemerkte Renard kühl. »Das wird nicht wieder geschehen, denn ich werde
es zu verhindern wissen. Guy, du suchst jetzt deinen Vater und Sir
Ancelin und schickst beide zu mir. Und du, Owain ap Siorl, wirst dich
waschen und umziehen. Dann sattelst du dein Pferd und für mich den
Grauschimmel.«
Verschüchtert rannten die beiden Jungen davon.
Eleanor
schüttelte seufzend den Kopf. »Dieser Guy d'Alberin ist ein übler
Rabauke. Die älteren Burschen lachen über seinen Hochmut und beachten
ihn gar nicht. Um sich schadlos zu halten, läÃt er seine Wut am
jüngsten Mitglied unseres Haushalts aus. Owain ist sehr empfindlich,
was seine walisische Herkunft und die Wiederverheiratung seiner Mutter
angeht. AuÃerdem glaube ich, daà sich Guy ärgert, weil Owain nun dein
Edelknabe ist.«
»Hat er sich vielleicht selber in dieser Rolle gesehen?« Nachdenklich rührte Renard mit seinem Waffenstock im Schlamm.
»Unglücklicherweise.«
»Für ihn wäre das sicher gut gewesen.«
Eleanor schnitt eine Grimasse. »Aber nicht für dich.«
»Oh,
zweifellos hätte es anfangs Schwierigkeiten gegeben. Aber er ist der
Erbe von Farnden. Wenn er nicht zur Vernunft gebracht wird, bevor er
dieses Erbe antritt, wird er mir genauso nützlich sein wie ein Schwert
aus Kuchenteig. Auch Owain muà ich Disziplin lehren, allerdings auf
andere Art. Jedes Temperament muà individuell behandelt werden.«
»Und wie erkennst du unterschiedliche Temperamente nach diesem kurzen Zwischenfall?« fragte Eleanor skeptisch.
»Zumindest
ansatzweise.« Er beugte sich zu ihr und fügte so leise hinzu, daà sie
es kaum verstand: »Vielleicht wurde auch mein Temperament in letzter
Zeit gezähmt.«
N EUNZEHNTES K APITEL
W ESTMINSTER
P ENTECOST 1140
Matille
beobachtete Ranulf und seinen Halbbruder William de Roumare. Die beiden
schwelgten im Wein und in ihrem machthungrigen HaÃ. Ungeduldig
schnalzte sie mit der Zunge und zog sich hinter den Ledervorhang des
Schlafgemachs zurück. Diese Gespräche bewegten sich unablässig im
Kreis, immer langsamer, während der Alkohol seine Wirkung tat, und sie
wuÃte schon zur Genüge, worum es ging. Um die Grafschaft Carlisle, die
aufgrund des
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