Die Leopardin
Auch Gelächter drang heraus, laut und
schrill. Auf dieser Seite des Flusses hielten die feinen Herren ihre
Geliebten aus und begaben sich gelegentlich in die Niederungen des
Lebens. Nicht heimlich, aber säuberlich getrennt von ihren sonstigen
Gepflogenheiten. Und die Kluft zwischen den Ufern war noch tiefer als
der graue FluÃ.
Sie preÃte eine Hand auf ihren leicht
gewölbten Bauch, wo das Baby lebhaft um sich trat â viel zu heftig
für ein Kind, das erst zur Weihnachtszeit empfangen worden war. Durch
ihre vom Tanz gestählten Muskeln wirkte die Schwangerschaft nicht so
weit fortgeschritten, wie es den Tatsachen entsprach. Nicht vier
Monate, sondern schon sechs â¦
Manchmal versagten
die Verhütungsgetränke, so wie bei ihrem letzten Liebesakt mit Renard
im November. Als sich das Dilemma herausgestellt hatte, war sie bereits
in Ranulf von Chesters Bett gelandet. Nun hoffte sie, das Kind würde
mit Verspätung zur Welt kommen und sie könnte Ranulf einreden, es sei
von ihm. Ihr immer noch kleiner Bauch und die Ãbelkeit, die sie nach
wie vor befiel, würden sich vielleicht zu ihren Gunsten auswirken.
Allerdings war es ein Fehler gewesen, die Schwangerschaft schon nach
dem Weihnachtsfest zu verkünden.
Sie hatte ihre
Rückkehr zu Renard erwogen. Aber sie ertrug es nicht, in dem zugigen
kleinen Landhaus dahinzuvegetieren, im BewuÃtsein, daà er nur knapp
fünf Meilen entfernt, auf Ravenstow, gegen die Versuchung ankämpfte, in
ihre Arme zu sinken. Auf der Weihnachtsfeier hatte sie gewünscht, er
würde jeden Mann, der sie anzurühren wagte, mit seinem Dolch angreifen,
und beinahe wäre es geschehen. Aber seine Frau war dazwischengetreten,
und er hatte sie hinausgeführt. Die siegreiche Rivalin, schlank und
schwarzhaarig, mit den Augen einer Waldnymphe und einem süÃen Gesicht,
verlockend wie frisches Brot â¦
Abrupt sprang Olwen
von ihrem Stuhl auf und rannte im Zimmer umher wie ein gefangenes Tier.
Es war ein hübscher Käfig, mit Wandteppichen und einer Kleiderstange
und einem Waschtisch. Dicke, duftende Binsenteppiche bedeckten den
Boden, Felle lagen zu beiden Seiten des Betts, auf das sie sich nun
fallen lieÃ. Voller Selbstironie nahm sie eine sinnliche,
verführerische Pose ein. Sie ergriff einen exquisiten silbergefaÃten
Handspiegel und betrachtete sich. Zurechtgemacht, wie Ranulf es
bevorzugte, in ihrem Tanzkostüm, das Gesicht geschminkt â¦
Inzwischen wuÃte sie genau, was ihm gefiel. Trotz all seiner Macht war
er ein Sklave seiner Lust. Und Olwens Macht lag in der Fähigkeit, diese
Lust zu schüren und zu befriedigen.
In das Gelächter
aus dem Badehaus mischten sich neue Stimmen â Ranulfs
alkoholisiertes Grunzen, die lallende Antwort seines Halbbruders. Die
beiden pflegen fast alles zu teilen. Plötzlich ertrug sie den Anblick
ihres Gesichts nicht mehr und legte den Spiegel auf die Truhe, nach
unten gekehrt, so als wollte sie sich darunter begraben. Mit einem
starren Lächeln ging sie zur Tür und öffnete sie.
Z WANZIGSTES K APITEL
Renard
stand im Turnierhof von Caermoel, blinzelte in den grellen
Junisonnenschein und beobachtete, wie seine beiden Edelknaben mit
Schwertern und Schilden fochten. Owain war behende wie ein Floh,
vernachlässigte aber seine Deckung, so daà er seine Schnelligkeit nur
nutzen konnte, um dem Gegner auszuweichen, statt selber anzugreifen.
Der wesentlich langsamere Guy d'Alberin lernte seine Lektion
überraschend schnell und würde sich auch sein Leben lang daran
erinnern. Bei Turnieren würde er niemals Preise davontragen, aber stets
imstande sein, sich zu behaupten.
Nun verstanden sich
die beiden Jungen etwas besser, vereint durch eine gemeinsame Abneigung
gegen Ancelin, der sie so hart hernahm, daà sie keine Zeit zum Streiten
fanden â abgesehen von den Ãbungskämpfen im Turnierhof. Die
spärliche Freizeit blieb dem kostbaren Schlaf vorbehalten.
Bestürzt
wandte sich Renard zu seinem jüngsten Bruder. Dieser hatte ihm soeben
mitgeteilt, Chester und Roumare hätten Stephen in der Sache Carlisle
beeinflussen wollen, mit dem Versuch, Henry von Huntingdon auf der
Heimreise von Westminster zum väterlichen Hof in Schottland zu
entführen. »Du machst Witze!«
»Ich wünschte, es wäre
so.« William lieà seinen schweiÃüberströmten Hengst von einem
Reitknecht zum Trog führen, wo sich einige Milnham-Männer
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