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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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betrat, sah er gerade noch, wie Hesse die Treppe zu dem unter den Gleisen entlangführenden Fußgängertunnel hinunterging, durch den man zu den Bahnsteigen kam. Vielleicht hat Clairet schon im Voraus Fahrkarten besorgt, dachte er, dann muss Hesse eben ohne Fahrkarte einsteigen.
    Zur rechten wie zur linken Seite des Tunnels führten die Treppen zu den Bahnsteigen. Franck folgte Hesse an sämtlichen Aufgängen vorbei. Schon in banger Vorahnung nahm er die Treppe zum Hintereingang des Bahnhofs im Laufschritt und holte Hesse ein. Gemeinsam kamen sie auf der Rue de Courcelles heraus.
    Einige der Gebäude in der Umgebung waren jüngst von Bomben getroffen worden. Dort, wo kein Trümmerschutt am Straßenrand lag, parkten Autos. Franck suchte mit den Augen die Straße ab, und die Angst ließ sein Herz schneller schlagen. Hundert Meter vor ihnen sprangen Michel Clairet und Helicopter in einen schwarzen Wagen. Franck und Hesse hatten keine Chance mehr, das Fahrzeug zu erreichen. Francks rechte Hand fuhr an seine Waffe, doch war die Entfernung viel zu groß für einen Pistolenschuss. Der Wagen entfernte sich. Es war ein schwarzer Renault Monaquatre, eines der häufigsten Autos in Frankreich. Das Kennzeichen konnte Franck nicht entziffern. Das Fahrzeug raste die Straße entlang und bog schließlich um eine Ecke.
    Dieter Franck fluchte. Er war auf einen einfachen, aber äußerst wirksamen Trick hereingefallen: Indem sie den Fußgängertunnel benutzten, hatten Clairet und Helicopter die Verfolger gezwungen, ihre Fahrzeuge stehen zu lassen. Und auf der anderen Seite wartete ein Wagen auf sie, der ihnen die Flucht ermöglichte. Vielleicht hatten sie nicht einmal gemerkt, dass sie beschattet wurden, und der Trick mit dem Tunnel war ebenfalls bloß eine Routinemaßnahme gewesen.
    Francks Stimmung war am Boden. Er hatte hoch gespielt und alles verloren. Webers Jubel würde kaum noch zu übertreffen sein.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Hans Hesse.
    »Wir fahren zurück nach Sainte-Cecile.«
    Sie machten kehrt, verstauten das Moped wieder im Lieferwagen und kehrten ins Hauptquartier zurück.
    Ein einziger Hoffnungsschimmer war Dieter Franck geblieben. Er kannte die Übertragungszeiten für Helicopters Funkkontakte sowie die dazugehörigen Frequenzen. Mithilfe dieser Informationen konnte man ihn möglicherweise wieder einfangen. Um verbotene Funksendungen aufzuspüren und an ihren Ursprung zurückzuverfolgen, hatte die Gestapo ein kompliziertes System entwickelt und im Laufe des Krieges immer mehr verfeinert. Auf diese Weise waren ihr viele Agenten der Alliierten in die Hände gefallen. Umgekehrt hatten sich aber mittlerweile auch die Funktechniken der Briten verbessert, sodass die Funker bessere Sicherheitsvorkehrungen einhielten. Sie setzten zum Beispiel jeden Funkspruch von einem anderen Ort ab und blieben nie länger als fünfzehn Minuten auf Sendung. Unvorsichtige Agenten wurden aber auch jetzt noch erwischt.
    Ob die Briten inzwischen ahnten oder wussten, dass Helicopter aufgeflogen war? Dass er in diesen Minuten Michel Clairet in allen Einzelheiten von seinen Erlebnissen berichtete, war klar. Clairet würde ihn genau über die Umstände seiner Festnahme in der Kathedrale sowie die anschließende Flucht befragen, insbesondere über den neuen »Kameraden« mit dem Decknamen Charenton. Dass Mademoiselle Lemas nicht diejenige war, die zu sein sie vorgab, konnte kaum seinen Verdacht erwecken, denn Clairet hatte Mademoiselle nie kennen gelernt. Selbst wenn Helicopter sie als attraktive, rothaarige junge Frau beschrieb, bestand keine Gefahr. Helicopter seinerseits wusste weder, dass sein Chiffrierblock und das Seidentaschentuch von Stephanie sorgfältig abgeschrieben worden waren, noch, dass Franck anhand der gelben Wachskreidestriche auf den Skalen seine Frequenzen abgelesen hatte.
    Vielleicht ist doch noch nicht alles verloren, dachte Franck.
    Kaum hatten sie das Chateau betreten, kam ihm in der Halle Weber entgegen. Er sah Franck streng an und fragte: »Haben Sie ihn verloren?«
    Schakale können Blut riechen, dachte Franck und sagte: »Ja.« Weber anzulügen wäre unter seiner Würde gewesen.
    »Ha!« Weber genoss seinen Triumph. »Sie sollten solche Arbeiten den Experten überlassen.«
    »Mit dem größten Vergnügen«, gab Franck zurück. Weber stutzte. »Er wird heute Abend um acht mit London Funkkontakt aufnehmen«, fuhr Franck fort. »Die ideale Gelegenheit für Sie, Ihr Expertenwissen unter Beweis zu stellen! Zeigen Sie, was

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