Die Leopardin
Flick. Die dumme Kuh soll froh sein, dass sie so glimpflich davongekommen ist. Doch sie wollte einen guten Eindruck auf Paul machen, und so sagte sie: »Kein Grund, sie völlig fertig zu machen. Es gibt nun mal Menschen, die für unsere Arbeit nicht geeignet sind. Dafür kann sie ja nichts.«
Paul grinste. »Du lügst wie gedruckt«, sagte er. »Du meinst, ich war nicht hart genug, stimmt’s?«
»Die gehört doch mindestens gekreuzigt«, fauchte Flick wütend, doch Paul lachte nur, und seine gute Laune dämpfte ihren Zorn, bis sie schließlich selber lächeln musste. »Ich kann dir einfach nichts vormachen, oder?«
»Nein, hoffentlich nicht.« Er wurde wieder ernst. »Ein Glück, dass wir eine mehr an Bord hatten als unbedingt notwendig. Wir können ihren Abgang verschmerzen.«
»Aber der Rest ist das absolute Minimum.« Flick stand auf. Sie war müde. »Komm, lass uns die Bande ins Bett bringen. Es ist die letzte Nacht, in der sie ordentlich pennen können, jedenfalls auf absehbare Zeit.«
Paul ließ seine Blicke durch die Gaststube schweifen. »Wo sind Diana und Maude? Ich kann sie nirgends sehen.«
»Sie sind wahrscheinlich hinausgegangen, um Luft zu schnappen. Ich suche sie – kümmer du dich um die anderen.« Paul nickte zustimmend, und Flick ging hinaus.
Von den beiden jungen Frauen war nichts zu sehen und zu hören. Flick blieb stehen und betrachtete einen Moment lang das Abendlicht, das sich auf dem ruhigen Wasser der Bucht spiegelte. Dann ging sie um das Gebäude herum auf den Parkplatz. Ein sandbrauner Austin der Armee setzte sich gerade in Bewegung. Flick konnte auf dem Rücksitz Denise erkennen. Sie weinte.
Von Diana und Maude keine Spur. Flick runzelte verwirrt die Stirn. Schließlich überquerte sie den geteerten Platz und erreichte die Rückseite des Pubs. Im Hinterhof lagerten alte Fässer und gestapelte Kisten. Auf der anderen Seite schloss sich ein kleines Nebengebäude mit Holztür an, die offen stand. Flick ging hinein.
Zuerst konnte sie in der Düsternis nichts sehen. Aber sie wusste, dass sie nicht allein war, denn sie hatte Atemzüge gehört. Ihr Instinkt befahl ihr, sich nicht zu rühren und keinen Lärm zu machen. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht. Sie befand sich in einem Werkzeugschuppen. An Haken hingen, sorgsam geordnet, Schraubenschlüssel und Schaufeln, und in der Mitte stand ein großer Rasenmäher auf dem Boden. Diana und Maude befanden sich am anderen Ende des Schuppens.
Maude lehnte an der Wand, und Diana küsste sie. Flick blieb der Mund offen stehen. Dianas Bluse war aufgeknöpft und enthüllte einen großen, streng zweckmäßigen Büstenhalter. Maudes pinkfarbener Baumwollrock war bis zur Taille hochgerutscht. Als das Bild allmählich deutlicher wurde, erkannte Flick, dass Dianas Hand vorn in Maudes Schlüpfer verschwunden war.
Sekundenlang war Flick so erschrocken, dass sie wie erstarrt dastand. Maude entdeckte sie und suchte ihren Blick. »Na, hast du genug gesehen?«, fragte sie schnippisch. »Oder willst du noch ein Foto machen?«
Diana zuckte zusammen, zog ihre Hand aus Maudes Schlüpfer und trat einen Schritt zurück. Dann drehte sie sich um, und nacktes Entsetzen lag in ihrem Blick. »Oh, mein Gott!«, stöhnte sie, raffte mit einer Hand die Bluse über ihrer Brust zusammen und legte die andere in einer schamvollen Geste auf ihren Mund.
Flick stammelte: »Ich. ich. Ich wollte euch nur sagen, dass wir jetzt schlafen gehen.« Sie drehte sich um und stolperte aus dem Schuppen hinaus ins Freie.
Funker waren nicht völlig unsichtbar. Sie lebten in einer Geisterwelt, in der ihre gespenstischen Umrisse vage erkennbar blieben. Auf der Suche nach ihnen spähten die Männer von der GestapoFunkaufklärung, die in einer höhlenartigen, abgedunkelten Halle in Paris untergebracht war, in die Finsternis. Dieter Franck war schon einmal dort gewesen und hatte das grünliche Geflacker der dreihundert runden Oszilloskop-Bildschirme gesehen. Rundfunksendungen zeichneten sich als vertikale Linien ab, wobei die Position der Linie die Frequenz der Übertragung anzeigte und ihre Höhe die Stärke des Signals. Die Bildschirme wurden rund um die Uhr von schweigsamen, aufmerksamen Funktechnikern im Auge behalten. Sie ließen Franck an Engel denken, die die Sünden der Menschheit überwachen. Die Techniker kannten die offiziellen Sender in deutscher Hand und im Ausland und merkten sofort, wenn ihnen ein Fremder ins Netz ging.
Wann immer dies geschah, griff
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