Die Leopardin
meiner Kindheit und würde ihm mein Leben anvertrauen.« Worauf Michel ihr erklärt hatte, sie habe kein Recht, neue Mitglieder anzuwerben, ohne das zumindest mit ihm zu besprechen. Doch am Ende hatte er ihr die Geschichte wohl abgekauft, und Franck hatte Stephanie geküsst und ihr gesagt, sie sei eine so gute Schauspielerin, dass sie ohne weiteres in der Comédie Française auftreten könne.
Dennoch: Helicopter konnte sich denken, dass die Gestapo mithörte und hinter ihm her war. Und genau darin lag sein Risiko: Übermittelte er keine Nachrichten nach England, war sein Einsatz sinnlos. Er musste also senden – würde aber seinen Funkspruch so kurz wie möglich abfassen. Waren viele Informationen weiterzugeben, so würde er sie in zwei oder mehr Sendungen aufteilen und von verschiedenen Orten aus funken. Francks einzige Hoffnung bestand darin, dass Helicopter in Versuchung geraten würde, sich ein ganz klein wenig zu lange im Äther aufzuhalten.
Die Minuten tickten dahin. Im Wagen herrschte absolute Stille. Die Männer zogen nervös an ihren Zigaretten. Dann, genau fünf Minuten nach acht, piepte der Empfänger.
Wie zuvor abgesprochen, fuhr der Chauffeur sofort los, und zwar Richtung Süden.
Das Signal wurde nun stärker, aber so langsam, dass Franck schon befürchtete, sie führen gar nicht direkt auf die Quelle zu.
Als sie die Kathedrale in der Stadtmitte passierten, glitt die Nadel prompt zurück.
Der Gestapo-Mann auf dem Beifahrersitz sprach in sein Kurzwellengerät. Er beriet sich mit jemandem, der sich eineinhalb Kilometer weiter in einem zum Funkpeilwagen umfunktionierten Laster befand. Gleich darauf sagte er: »Das Viertel im Nordwesten.«
Der Fahrer bog bei der nächsten Gelegenheit nach Westen ab, und das Funksignal wurde wieder stärker.
»Erwischt«, keuchte Franck.
Aber fünf Minuten waren bereits verstrichen.
Das Auto jagte Richtung Westen und das Funksignal wurde immer stärker, während Helicopter weiterhin in seinem Versteck – einem Badezimmer, einem Dachboden, einem Lagerhaus irgendwo im Nordwesten von Reims – die Morsetaste seines Kofferfunkgeräts bearbeitete. Und im Chateau von Sainte-Cecile saß ein deutscher Funker, der sein Gerät auf dieselbe Frequenz eingestellt hatte und die verschlüsselte Botschaft mitschrieb, die überdies noch von einem drahtlosen Aufnahmegerät aufgezeichnet wurde. Später würde Franck sie mithilfe des von Stephanie abgeschriebenen Kodierblocks entschlüsseln können. Doch vorerst war der Bote wichtiger als die Botschaft.
Sie kamen in eine Gegend mit großen alten Häusern, die meisten davon ziemlich heruntergekommen und aufgeteilt in kleine Wohnungen und möblierte Zimmer für Studenten und Krankenschwestern. Das Funksignal, das ständig lauter geworden war, wurde schlagartig leiser. »Zu weit, zu weit!«, sagte der Gestapo-Mann auf dem Beifahrersitz. Der Fahrer wendete, dann bremste er ab.
Zehn Minuten waren vergangen.
Franck und die drei Gestapo-Beamten sprangen aus dem Wagen. Der Mann mit dem tragbaren Spürgerät unter dem Regenmantel ging raschen Schritts den Gehsteig entlang und behielt dabei unablässig sein Armbandgerät im Auge. Die anderen folgten ihm. Nach hundert Metern machte er unvermittelt kehrt. Dann blieb er stehen und deutete auf ein Haus. »In dem da«, sagte er. »Aber die Übertragung ist beendet.«
Franck fiel auf, dass die Fenster des Hauses keine Vorhänge hatten. Die Resistance funkte mit besonderer Vorliebe von baufälligen Häusern aus.
Der Gestapo-Mann mit dem Vorschlaghammer brauchte nur zwei Schläge. Die Tür sprang auf, und die Männer stürmten ins Haus.
Die Fußböden waren nackt, und es roch muffig. Franck stieß eine Tür auf und stand in einem leeren Zimmer.
Er öffnete die Tür zum Hinterzimmer, durchquerte den leeren Raum mit drei Schritten und sah in eine verlassene Küche.
Er rannte die Treppe hinauf. Im ersten Stock gab es ein Fenster, das auf den Garten hinter dem Haus hinausging. Franck warf einen Blick durch die Scheibe – und sah Helicopter und Michel Clairet über den Rasen laufen. Clairet hinkte, und Helicopter schleppte seinen Handkoffer mit. Franck fluchte.
Sie mussten im selben Moment, als vorne die Tür aufgebrochen wurde, durch eine Hintertür entkommen sein. Franck drehte sich um und brüllte: »Hintergarten!« Die Gestapo-Männer spurteten los, und er rannte ihnen hinterher.
Als er den Garten erreichte, sah er, wie Clairet und Helicopter über den rückwärtigen Zaun auf ein
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