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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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seinen Teller und fragte sich, woher die
    Engländer die Nerven nahmen, so etwas ein Sandwich zu nennen: zwei mit Margarine beschmierte Weißbrotscheiben mit einer hauchdünnen Scheibe Schinken dazwischen.
    Und ohne Senf.
    Der Rotlichtbezirk von Paris, ein Viertel aus engen, schmutzigen Straßen, lag auf einem niedrigen Hügel hinter der Rue de la Chapelle unweit des Nordbahnhofs. Und mittendrin lag »La Charbo«, die Rue de la Charbonniere. Auf der Nordseite der Straße stand, gleich einer Marmorstatue inmitten einer Müllhalde, das Kloster de la Chapelle. Der Konvent bestand aus einer winzigen Kirche und einem Haus, in dem acht Nonnen lebten, die ihr Leben den armseligsten Elendsgestalten von Paris geweiht hatten. Sie kochten Suppe für hungernde alte Männer, sprachen begütigend auf verzweifelte Frauen ein, die sich das Leben nehmen wollten, zerrten sternhagelvolle Seeleute aus der Gosse und brachten den Kindern der Prostituierten Lesen und Schreiben bei. Gleich neben dem Kloster stand das Hotel de la Chapelle.
    Es war nicht direkt ein Bordell, denn es wohnten keine Huren dort. Aber wenn nicht alle Zimmer vermietet waren, nahm die Besitzerin durchaus auch Stundengäste – üppig geschminkte Frauen in billigen Abendkleidern, die fette französische Geschäftsleute, verdruckste deutsche Soldaten oder naive junge Männer im Schlepptau hatten, die zu betrunken waren, um noch geradeaus gucken zu können.
    Als Flick das Hotel betrat, empfand sie eine enorme Erleichterung. Die Gendarmen hatten sie einen knappen Kilometer vor dem Hotel abgesetzt, und auf dem Weg hatte sie zwei Steckbriefe mit ihrem Abbild gesehen. Christian hatte ihr sein Taschentuch gegeben, ein sauberes, quadratisches Baumwolltuch, rot mit weißen Punkten. Um ihr blondes Haar halbwegs zu verdecken, hatte Flick es sich als Kopftuch umgebunden. Dennoch wusste sie, dass sie jeder, der sie genau ansah, mit der Frau auf dem Steckbrief identifizieren würde.
    Es blieb ihr nichts Weiteres übrig, als die Augen zu senken und sich selbst die Daumen zu drücken. Der Weg zum Hotel war ihr wie der längste Fußmarsch in ihrem ganzen Leben vorgekommen.
    Die freundliche, übergewichtige Hotelbesitzerin trug einen rosafarbenen Morgenmantel aus Seide über einem Fischbeinkorsett. Früher muss sie einmal eine gut proportionierte, sinnliche Frau gewesen sein, dachte Flick.
    Sie hatte schon früher hier übernachtet, doch die Besitzerin schien sich nicht an sie zu erinnern. Als Flick sie mit Madame ansprach, sagte sie: »Nennen Sie mich Regine.« Sie nahm das Geld entgegen und gab Flick einen Zimmerschlüssel, ohne irgendwelche Fragen zu stellen.
    Flick wollte gerade zu ihrem Zimmer hinaufgehen, als sie bei einem Blick durchs Fenster Diana und Maude erkannte, die ein seltsames Taxi vor dem Hotel absetzte. Es war eine Art Sofa auf Rädern, das man hinten an ein Fahrrad angehängt hatte. Die gefährliche Begegnung mit den Gendarmen schien den beiden nicht die Laune genommen zu haben, denn sie kicherten unentwegt über das Vehikel.
    »O Gott, was für ein Drecksloch«, sagte Diana, als sie zur Tür hereinkam. »Vielleicht können wir woanders essen.«
    Die Pariser Restaurants hatten unter der deutschen Besatzung nicht geschlossen, doch die meisten ihrer Gäste waren zwangsläufig deutsche Offiziere. Agenten machten daher meist einen großen Bogen um die Lokale. »Schlag dir das aus dem Kopf!«, sagte Flick verärgert. »Wir halten uns hier ein paar Stunden lang versteckt und sehen dann zu, dass wir uns bei Tagesanbruch zum Ostbahnhof durchschlagen können.«
    Maude sah Diana vorwurfsvoll an. »Du hast doch versprochen, mit mir ins Ritz zu gehen.«
    Flick musste an sich halten. »In welcher Welt lebst du eigentlich?«, zischte sie Maude an.
    »Schon gut, mach dir nicht ins Hemd.« »Keine von uns geht aus, ist das klar?!«
    »Ja, ja.«
    »Eine von uns wird später noch was zu essen einkaufen. Ich muss mich vorerst bedeckt halten. Diana, du setzt dich hierher und wartest auf die anderen, und du, Maude, belegst inzwischen ein Zimmer für euch. Sagt mir Bescheid, wenn alle da sind.«
    Auf der Treppe nach oben begegnete Flick eine Negerin in einem engen roten Kleid und mit auffallend glattem schwarzem Haar. »Moment mal«, sprach Flick sie an. »Würden Sie mir Ihre Perücke verkaufen?«
    »Kannst dir selber eine kaufen, Süße, gleich um die Ecke ist ein Laden.« Sie musterte Flick von oben bis unten und hielt sie offenbar für eine Freizeitnutte. »Aber wenn du’ s genau

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