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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wissen willst, dann lass dir sagen, dass du noch ‘n bisschen mehr brauchst als bloß ‘ne Perücke.«
    »Ich hab’s eilig.«
    Die Frau nahm ihre Perücke ab. Darunter kamen millimeterkurz geschnittene schwarze Locken zum Vorschein. »Ohne das Ding kann ich nicht arbeiten.«
    Flick zog einen Tausend-Franc-Schein aus ihrer Jackentasche. »Kauf dir ‘ne andere dafür.«
    Die Schwarze sah Flick plötzlich mit anderen Augen: Für eine Kollegin hatte die Fremde offenbar zu viel Geld. Sie zuckte die Achseln, nahm das Geld an sich und gab dafür die Perücke her.
    »Vielen Dank«, sagte Flick.
    Die junge Frau blieb stehen. Zweifellos überlegte sie, ob Flick noch mehr von diesen Scheinen besaß – und wenn, wie viele. »Ich mach’s auch mit Frauen«, sagte sie, streckte die Hand aus und strich mit den Fingerspitzen leicht über Flicks Brust.
    »Nein, danke.«
    »Vielleicht, dass du und dein Freund. «
    »Nein.«
    Die Schwarze betrachtete ihren Tausend-Franc-Schein. »Na schön, dann kann ich mir den Abend heute wohl frei nehmen. Viel Glück, Süße.«
    »Danke«, sagte Flick. »Das kann ich gut brauchen.«
    Sie suchte und fand ihr Zimmer, legte den Koffer aufs Bett und zog ihre Jacke aus. Es gab ein Waschbecken mit einem kleinen Spiegel darüber. Flick wusch sich die Hände und nahm sich einen Augenblick Zeit, ihr Gesicht zu betrachten.
    Sie kämmte ihr kurzes blondes Haar hinter die Ohren und steckte es mit Klemmen fest. Dann setzte sie die Perücke auf und rückte sie zurecht. Sie war ein bisschen zu groß, würde ihr aber nicht vom Kopf rutschen. Das schwarze Haar veränderte ihr Aussehen vollkommen. Allerdings fielen jetzt ihre blonden Brauen auf. Mit dem Augenbrauenstift aus ihrem Make-up-Täschchen zog sie sie dunkel nach. Das sah schon viel besser aus. Jetzt war sie nicht nur dunkelhaarig, sondern wirkte auch wesentlich eindrucksvoller als das nette Mädchen im Badeanzug auf dem Steckbrief. Die beiden hatten zwar die gleiche gerade Nase und das gleiche strenge Kinn, wirkten aber wie zwei im Grunde sehr unterschiedliche Schwestern mit einer gewissen Familienähnlichkeit.
    Als Nächstes holte Flick ihre Ausweise aus der Jackentasche und retuschierte die Fotografien. Mit dünnen Strichen des Augenbrauenstifts färbte sie Haare und Augenbrauen dunkel. Am Ende betrachtete sie die Bilder kritisch und war mit ihrer Arbeit zufrieden: Solange keiner darauf herumrieb und die Striche verwischte, würde die Manipulation unentdeckt bleiben.
    Sie nahm die Perücke wieder ab, zog ihre Schuhe aus und legte sich aufs Bett. Nach der Liebesnacht mit Paul und dem Nachtflug auf dem Metallboden eines Hudson-Bombers fehlten ihr zwei Nächte Schlaf. Jetzt schloss sie die Augen und war binnen Sekunden eingeschlummert.
    Ein Klopfen an der Tür weckte sie. Zu ihrer Überraschung wurde es draußen schon dunkel; sie musste also mehrere Stunden geschlafen haben. Sie ging an die Tür und fragte: »Wer ist da?«
    »Ruby.«
    Sie ließ sie herein. »Alles in Ordnung?«
    »Das kann ich nicht genau sagen.«
    Flick zog die Vorhänge zu und drehte das Licht an. »Was soll das heißen?«
    »Alle sind eingetrudelt. Aber ich weiß nicht, wo Diana und Maude inzwischen abgeblieben sind. In ihrem Zimmer sind sie jedenfalls nicht.«
    »Wo hast du sie denn gesucht?«
    »Im Büro der Wirtin, in der kleinen Kirche nebenan, in der Bar über die Straße.«
    »Herrgott!«, sagte Flick entsetzt. »Diese verdammten Idiotinnen machen sich einen schönen Abend.«
    »Und wo treiben sie sich rum?«
    »Maude wollte ins Ritz.«
    Ruby konnte es nicht fassen. »So blöd können die doch gar nicht sein!«
    »Maude schon.«
    »Aber Diana? Ich dachte, die hätte mehr Verstand.«
    »Diana ist verliebt«, sagte Flick. »Deshalb erfüllt sie Maude jeden Wunsch. Außerdem will sie ihr Liebchen natürlich beeindrucken. Und um ihr zu beweisen, dass sie sich in der High Society auskennt, führt sie sie in irgendwelche Luxuskneipen und dergleichen.«
    »Liebe macht blind, heißt es.«
    »In diesem Fall führt die Liebe geradewegs zum Selbstmord. Ich kann’s kaum glauben – aber ich wette, sie hocken tatsächlich im Ritz. Geschieht ihnen eigentlich bloß recht, wenn sie dabei draufgehen.«
    »Und was machen wir?«
    »Wir gehen auch ins Ritz und holen sie dort raus – falls wir nicht schon zu spät kommen.«
    Flick setzte ihre Perücke auf. »Hab mich schon gewundert«, sagte Ruby, »dass du plötzlich dunkle Augenbrauen hast. Aber es funktioniert, du siehst ganz anders

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