Die Leopardin
das Hauptquartier?«
»Carlton House Terrace.«
Er ging zu ihr und schlug ihr mit aller Kraft ins Gesicht. Sie schrie auf vor Schmerz, und ihre Wange lief flammend rot an. Ein Schlag ins Gesicht, gleich zu Beginn des Verhörs, erwies sich meistens als nützlich. Er tat nicht allzu weh, demonstrierte den Gefangenen jedoch auf demütigende Weise ihre Hilflosigkeit und nahm ihnen den anfänglichen Mut.
Diese Frau hier jedoch sah ihn trotzig an. »Ist das die Art, wie deutsche Offiziere mit Damen umgehen?«
Sie hatte eine hochmütige Ader, und ihr Französisch klang nach Oberklasse. Franck hielt sie für eine Aristokratin. »Damen?«, sagte er vorwurfsvoll. »Sie haben zwei Polizisten erschossen, die lediglich ihre Pflicht taten. Spechts junge Frau ist jetzt Witwe, und die Eltern Rollmann haben ihr einziges Kind verloren. Da Sie kein Soldat in Uniform sind, haben Sie nicht die geringste Entschuldigung für Ihre Tat. Doch um Ihre Frage zu beantworten: Nein, das ist nicht die Art, wie wir mit Damen umgehen. Es ist die Art, wie wir mit Mörderinnen umgehen.«
Sie wandte den Blick ab. Seine Bemerkung hatte sie getroffen. Nach und nach würde er ihre moralischen Grundsätze aushöhlen.
»Sagen Sie mir etwas anderes«, sagte er. »Wie gut kennen Sie Felicity Clairet?«
Vor Überraschung riss sie unwillkürlich die Augen weit auf und verriet sich damit. Franck wusste jetzt, dass seine Vermutung stimmte. Die beiden Frauen gehörten zu Major Clairets Gruppe. Die Gefangene hatte einen zweiten Dämpfer erhalten.
Aber sie fasste sich schnell wieder und sagte: »Ich kenne niemanden, der so heißt.«
Er holte aus und stieß ihre linke Hand weg. Sie schrie auf vor Schmerz, als das gebrochene Handgelenk seine Stütze verlor und herabsackte. Franck packte die verletzte rechte Hand und riss brutal an ihr. Die Gefangene heulte auf.
»Warum, um Himmels willen, haben Sie im Ritz zu Abend gegessen?«, fragte er und ließ die Hand los.
Sie hörte auf zu wimmern, und er wiederholte seine Frage. Sie holte tief Luft und antwortete: »Ich mag das Essen dort.«
Sie war noch zäher, als er sie eingeschätzt hatte. »Bringen Sie sie weg«, befahl er Hesse. »Und holen Sie die andere.«
Die Jüngere war recht hübsch. Bei der Verhaftung hatte sie keinen Widerstand geleistet, weshalb sie immer noch ganz präsentabel aussah. Ihre Kleidung war ordentlich, das Make-up unverschmiert. Sie machte einen erheblich verängstigteren Eindruck als ihre Kollegin. Franck stellte ihr die gleiche Frage, die er auch der Älteren gestellt hatte: »Warum haben Sie im Ritz zu Abend gegessen?« »Ich wollte da schon immer mal hin«, lautete die Antwort.
Franck glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Hatten Sie keine Angst, dass das zu gefährlich sein könnte?«
»Ich dachte, Diana wird schon auf mich aufpassen.«
Die andere hieß also Diana. »Wie heißen Sie?«
»Maude.«
Das ging ja geradezu verdächtig leicht. »Und was machen Sie in Frankreich, Maude?«
»Wir sollen irgendwas in die Luft sprengen.«
»Was denn?«
»Ich weiß es nicht mehr genau. Kann es sein, dass es etwas mit Eisenbahnen zu tun hat?«
Wollte die ihn an der Nase herumführen? Er versuchte es mit einer anderen Frage. »Wie lange kennen Sie Felicity Clairet schon?«
»Sie meinen Flick? Erst seit ein paar Tagen. Sie ist furchtbar rechthaberisch.« Dann schien ihr etwas einzufallen. »Obwohl sie tatsächlich Recht hatte – wir hätten nicht ins Ritz gehen sollen.« Sie fing an zu weinen. »Ich wollte doch nichts Böses tun. Ich wollte doch bloß ein bisschen Spaß haben und mal was anderes sehen, mehr wollte ich doch gar nicht.«
»Wie lautet der Deckname Ihrer Gruppe?«
»Die Amseln«, sagte sie auf Englisch.
Franck runzelte die Stirn. Der Funkspruch an Helicopter hatte sie als Dohlen bezeichnet. »Wissen Sie das genau?«
»Ja. Es hängt mit irgendeinem Gedicht zusammen. Die Amsel von Reims heißt es, glaube ich. Nein, Die Dohle von Reims , so heißt es.«
Entweder sie strotzte vor Dummheit – oder sie war eine sehr gute Schauspielerin. »Was glauben Sie, wo Flick jetzt ist?«
Maude dachte nach und sagte nach einer längeren Pause: »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
Dieter Franck seufzte laut vor Unzufriedenheit. Die eine Gefangene war knallhart und schwieg, die andere quatschte zwar, war aber
zu blöd, um irgendetwas Nützliches von sich zu geben. Das wird länger dauern, als ich dachte, sagte er sich.
Doch vielleicht ließ sich die Prozedur abkürzen. Er fragte
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