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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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seiner Kopfschmerzen grinsen. »Junge, Junge.«
    »Morgen kriegst du’s.«
    »Ich kann’s kaum erwarten.«
    »Ich liebe dich.«
    Er wollte schon sagen: Ich dich auch , doch aus alter Gewohnheit zögerte er, die Worte auszusprechen. Und schon klickte es in der Leitung – Stephanie hatte aufgelegt.
    In den frühen Morgenstunden des Sonntags sprang Paul Chancellor über einem Kartoffelacker unweit des westlich von Reims gelegenen Dorfes Laroque mit dem Fallschirm ab. Der Vorzug – oder das Risiko – eines Empfangskomitees wurde ihm dabei nicht zuteil.
    Bei der Landung fuhr ihm ein grauenhafter Schmerz durch sein verwundetes Knie. Er biss die Zähne zusammen, blieb reglos auf dem Boden liegen und wartete ab, bis es besser wurde. Das Knie wird mir wohl bis an mein Lebensende zu schaffen machen, dachte er. Wenn ich ein alter Mann bin, werde ich wahrscheinlich jedes Mal, wenn es mich zwickt, sagen, dass wir bald Regen bekommen – vorausgesetzt, ich werde ein alter Mann.
    Erst nach fünf Minuten fühlte er sich in der Lage, sich aufzurappeln und von seinen Fallschirmgurten zu befreien. Er fand die Straße, orientierte sich an den Sternen und machte sich auf den Weg. Aber er hinkte schwer und kam nur langsam voran.
    Nach seiner Legende, die Percy Thwaite ihm hastig zurechtgebastelt hatte, war er ein Lehrer aus Epernay, das ein paar Kilometer weiter im Westen lag. Er war per Anhalter unterwegs nach Reims, um seinen kranken Vater zu besuchen. Percy hatte ihm die erforderlichen falschen Papiere beschafft. Sie waren in der vergangenen Nacht in großer Eile hergestellt und per Motorradkurier nach Tempsford geschickt worden. Das Hinkebein passte recht gut zu der Legende: Ein verwundeter Veteran konnte ohne weiteres Lehrer sein – ein gesunder junger Mann musste damit rechnen, in ein Arbeitslager nach Deutschland geschickt zu werden.
    Der Flug und die Landung waren noch der leichteste Teil seines Vorhabens gewesen. Als Nächstes musste er Flick finden, und die einzige Chance, mit ihr Kontakt aufzunehmen, führte über die Bollinger-Zelle. Er musste darauf hoffen, dass der Kreis wenigstens zu Teilen noch intakt war und allein Brian der Gestapo in die Hände gefallen war. Wie jeder neue Agent, der bei Reims abgesetzt wurde, würde er sich an Mademoiselle Lemas wenden – allerdings unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen.
    Es war gerade erst hell geworden, als er ein Fahrzeug kommen hörte. Er verließ die Straße und verbarg sich hinter einer Reihe von Weinstöcken. Der Fahrzeuglärm wurde lauter, und Paul merkte, dass es sich um einen Traktor handeln musste. Es bestand demnach kaum Gefahr, denn die Gestapo fuhr garantiert nicht auf Traktoren durch die Gegend. Er verließ sein Versteck, humpelte noch ein paar Schritte, stellte sich dann an den Straßenrand und hob den Daumen.
    Der Traktorfahrer war ein Junge von etwa fünfzehn Jahren, der einen Anhänger voller Artischocken transportierte. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf Pauls Bein und fragte: »Kriegsverletzung?«
    »Ja«, sagte Paul. Und da sich ein französischer Soldat eine Verwundung wohl am ehesten in der Schlacht um Frankreich zugezogen hatte, fügte er hinzu: »Vierzig, bei Sedan.«
    »Da war ich noch zu jung«, sagte der Junge bedauernd.
    »Glück gehabt.«
    »Aber warten Sie bloß, bis die Alliierten kommen. Dann bin ich auch dabei.« Er streifte Paul mit einem Seitenblick. »Mehr darf ich nicht verraten. Aber warten Sie ‘s bloß ab.«
    Paul dachte nach. War dieser Knabe vielleicht ein Mitglied der Resistance? »Haben wir denn überhaupt genug Waffen und Munition für so was?«, fragte er. Wenn der Junge auch nur die geringste Ahnung hatte, dann musste er wissen, dass die Alliierten in den vergangenen Monaten Tonnen von Waffen und Munition über Frankreich abgeworfen hatten.
    »Wir benutzen jede Waffe, die uns in die Hände kommt.«
    War der Junge nur verschwiegen? Nein, entschied Paul insgeheim. Dazu war sein Blick zu unstet. Er gab sich nur irgendwelchen Wunschträumen hin. Paul verzichtete auf einen weiteren Komme n- tar.
    Der Junge setzte ihn am Stadtrand ab. Humpelnd setzte Paul seinen Weg fort. Der Treffpunkt war zwar ins Cafe de la Gare verlegt worden, doch der Zeitpunkt war der gleiche geblieben, drei Uhr nachmittags. Er hatte noch stundenlang Zeit totzuschlagen.
    Er betrat das Cafe, um zu frühstücken und sich ein wenig umzusehen. Er bestellte einen cafe noir. Der nicht mehr ganz junge Ober zog die Augenbrauen hoch, und Paul merkte, dass ihm ein

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