Die Leopardin
hochgeschobene Gardine fiel herunter.
Er ging ums Haus herum durch den Hof und in den Garten auf der Rückseite. Zwei Fenster waren zerbrochen, und die Hintertür stand offen. Er bekam es mit der Angst zu tun. Was war hier vorgegangen?
»Stephanie?«, rief er.
Keine Antwort.
Er ging in die Küche.
Zunächst begriff er gar nicht, was er da sah. An einem Küchenstuhl hing ein großes Bündel, das mit gewöhnlicher Haushaltsschnur festgebunden war. Es sah aus wie ein Frauenkörper mit einem ekelerregend verschmierten Kopf. Dann sagte ihm seine kriminalistische Erfahrung, dass es sich dabei um einen Menschen handelte, der mit einem Kopfschuss getötet worden war. Erst als er erkannte, dass die tote Frau zwei verschiedenfarbige Schuhe trug – einen schwarzen und einen braunen –, ging ihm auf, dass dies Stephanie sein musste. Ein qualvolles Wimmern entfuhr ihm. Er bedeckte seine Augen mit den Händen und sank schluchzend in die Knie.
Nach ungefähr einer Minute nahm er die Hände wieder von den Augen und zwang sich, genau hinzusehen. Der Kriminalpolizist in ihm bemerkte das Blut auf dem Oberteil ihres Kleides und zog daraus den Schluss, dass Stephanie von hinten erschossen worden war – womöglich musste man dem Mörder noch dankbar dafür sein, dass er ihr gnädig erspart hatte, dem Tod ins Auge sehen zu müssen. Zwei Schüsse, registrierte er.
Die großen Austrittswunden waren es, die das schöne Gesicht so entstellten. Augen und Nase waren zerstört, die sinnlichen Lippen blutbespritzt, aber unversehrt. Tränen füllten Francks Augen und trübten seinen Blick.
Der Verlust schmerzte wie eine offene Wunde. Die plötzliche Konfrontation mit Stephanies Tod war der schlimmste Schock, den- er in seinem Leben je erfahren hatte. Nie wieder würde sie ihm diesen stolzen Blick zuwerfen, nie wieder würden sich in einem Restaurant sämtliche Köpfe nach ihr umdrehen, und nie wieder würde er sehen, wie sie Seidenstrümpfe über ihre perfekten Waden zog. Ihre Eleganz, ihre Klugheit, ihre Ängste und Sehnsüchte – perdu, ausgelöscht, fort. Ihm war, als sei auf ihn selbst geschossen worden und ein Teil von ihm dabei abgerissen. Er flüsterte ihren Namen: Wenigstens das blieb ihm noch.
Er hörte eine Stimme hinter sich und schrie vor Schreck auf.
Da war es wieder: ein unartikuliertes Grunzen, aber eine menschliche Stimme. Franck sprang auf, drehte sich um und wischte sich die nassen Augen. Erst jetzt bemerkte er die zwei Männer auf dem Fußboden, beide in Uniform – Stephanies Leibwächter von der Gestapo. Bei ihrem Schutz hatten sie versagt, doch immerhin hatten sie es versucht und ihr Leben dabei geopfert.
Jedenfalls einer von ihnen.
Der eine regte sich nicht, aber der andere versuchte etwas zu sagen. Er war ein junger Kerl, neunzehn oder zwanzig Jahre alt, mit schwarzen Haaren und einem Schnurrbärtchen. Seine Uniformmütze lag neben seinem Kopf auf dem Linoleumboden.
Franck ging zu ihm und kniete neben ihm nieder. Er sah die Austrittswunden in der Brust: Der Mann war von hinten angeschossen worden und lag in einer Blutlache. Sein Kopf zuckte, und sein Mund bewegte sich. Franck legte sein Ohr an die Lippen des Mannes.
»Wasser«, flüsterte der Verwundete.
Er war am Verbluten. Franck wusste, dass sie am Ende immer nach Wasser fragten – er hatte es in der Wüste oft genug erlebt. Er suchte eine Tasse, füllte sie mit Leitungswasser und hielt sie dem Mann an den Mund. Der trank sie durstig aus, wobei viel Wasser über sein Kinn rann und auf die blutgetränkte Uniformjacke tropfte.
Franck war klar, dass er einen Arzt hätte holen müssen, doch zuerst musste er herausfinden, was hier passiert war. Wenn er damit wartete, würde der Mann womöglich sterben, bevor er berichten konnte, was er wusste. Nach kurzem Zögern traf Franck seine Entscheidung. Der Mann war entbehrlich: erst die Befragung, dann der Arzt. »Wer war das?«, fragte er und neigte wieder den Kopf, um das Flüstern des Sterbenden verstehen zu können.
»Vier Frauen«, brachte der Mann heiser heraus.
»Die Dohlen«, stellte Franck erbittert fest.
»Zwei von vorne... zwei von hinten.«
Franck nickte. Er konnte sich vorstellen, wie es abgelaufen war: Stephanie war auf das Klingeln hin zur Haustür gegangen. Die Gestapo-Männer standen bereit, die Gesichter dem Korridor zugewandt. Die beiden anderen Agentinnen hatten sich an die Küchenfenster geschlichen und die Männer dann von hinten erschossen. Und dann.
»Wer hat Stephanie
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