Die Leopardin
Anbandeln habe ich nichts gemerkt.«
»Trotzdem ist es keineswegs sicher, dass es niemandem auffällt, wenn plötzlich eine Putzkolonne mit lauter neuen Gesichtern erscheint.«
»Nein, sicher ist es nicht. Aber ich bin überzeugt, dass wir dieses Risiko eingehen können.« »Gut. Und wie werden sich die Einheimischen innerhalb des Schlosses verhalten? Soweit ich weiß, handelt es sich bei den Telefonisten überwiegend um Frauen aus der Region, oder?«
»Einige stammen direkt aus dem Ort, ja, aber die meisten werden mit dem Bus aus Reims abgeholt.«
»Nicht alle Franzosen mögen die Resistance, das weißt du genauso gut wie ich. Es gibt nicht wenige, die mit den Deutschen kollaborieren, zum Teil sogar aus Überzeugung. Weiß Gott, es gab ja sogar hier in England haufenweise Idioten, die sich eingebildet haben, dass Hitler und sein Regime eine starke Regierung verkörpern, wie sie auch bei uns nötig wäre, um all das durchzusetzen, was die moderne Zeit von uns verlangt. Inzwischen allerdings hört man von diesen Leuten nicht mehr allzu viel.«
Flick schüttelte den Kopf. Percy war noch nie im besetzten Frankreich gewesen. »Du darfst nicht vergessen, dass die Franzosen mittlerweile vier Jahre Besatzung hinter sich haben. Jetzt setzen sie dort alle Hoffnung auf die Alliierten. Die Telefonistinnen werden schon den Mund halten.«
»Obwohl sie von unserer Air Force bombardiert worden sind?«
Flick zuckte die Schultern. »Die eine oder andere mag vielleicht gegen uns sein. Aber die Mehrheit wird dafür sorgen, dass sie keinen Schaden anrichten.«
»Das hoffst du.«
»Auch hier denke ich, dass sich das Risiko lohnt.«
»Wie stark dieser Kellereingang bewacht ist, weißt du immer noch nicht.«
»Das hat uns gestern auch nicht von unserer Attacke abgehalten.«
»Gestern standen dir fünfzehn Resistance-Kämpfer zur Verfügung, darunter einige erfahrene Soldaten. Beim nächsten Mal versuchst du dein Glück mit einer Hand voll Gescheiterter und Abgewiesener.«
Flick zog ihre Trumpfkarte. »Na schön, schief gehen kann immer irgendwas, also was soll’s? Die Operation kostet nicht viel, und wir setzen nur das Leben von Leuten aufs Spiel, die bisher ohnehin nichts zur Kriegsführung beigetragen haben. Was haben wir da noch zu verlieren?«
»Darauf wollte ich gerade kommen. Siehst du, mir gefällt dein Plan ja. Ich werde ihn dem Boss vorlegen, obwohl ich glaube, dass er ihn ablehnen wird, und zwar aus einem Grund, über den wir bisher noch gar nicht gesprochen haben.«
»Und der wäre?«
»Es gibt nur einen Menschen, der dieses Team führen kann, und der bist du. Doch du hast gerade erst einen Einsatz hinter dir, der eigentlich dein letzter hätte sein sollen. Du weißt zu viel. Seit zwei Jahren pendelst du zwischen England und Frankreich hin und her. Du hast Kontakte zu fast allen Resistance-Gruppen in Nordfrankreich. Wir können dich gar nicht noch einmal dort hinschicken. Wenn du in Gefangenschaft gerätst, könntest du das gesamte Netz verraten.«
»Weiß ich«, sagte Flick mit düsterer Miene. »Deshalb habe ich ja auch immer diese Selbstmordpille dabei.«
General Sir Bernard Montgomery, Oberbefehlshaber der 21. Armeegruppe, hatte sein improvisiertes Hauptquartier im Londoner Westen eingerichtet, und zwar in einer Schule, deren Schüler aus Sicherheitsgründen evakuiert und aufs Land gebracht worden waren. Dass es sich dabei um dieselbe Schule handelte, die »Monty« als Junge selbst besucht hatte, war reiner Zufall. Konferenzen fanden im Zeichensaal statt, und jeder Teilnehmer nahm auf den harten Schulbänken Platz: Generäle, Politiker und einmal sogar – der Fall wurde später berühmt – der König höchstpersönlich.
Die Briten fanden das putzig. Paul Chancellor aus Boston, Massachusetts, hingegen hielt es für ausgemachten Blödsinn. Was hätte es schon gekostet, ein paar anständige Stühle anzuschaffen? Im Großen und Ganzen mochte er die »Brits« – nur dann nicht, wenn sie ihre Exzentrik zur Schau stellten.
Paul gehörte zum persönlichen Stab von General Montgomery. Manche Leute waren der Meinung, er verdanke diesen Posten nur der Tatsache, dass er einen General zum Vater hatte, aber das war ein unfaires Vorurteil. Paul fühlte sich in höheren Offizierskreisen nicht nur seiner Herkunft wegen zu Hause, sondern auch weil die US-Armee vor dem Krieg sein größter Kunde gewesen war. Seine Firma stellte Schallplatten für Schulen und andere Bildungseinrichtungen her, vor allem solche mit
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