Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
bald aufgegeben worden. Es hatte sogar einen kleinkarierten Disput darüber gegeben, welchem Modul die Ehre zuteilwerden sollte, die Uhren auf Alma-Zeit einstellen zu dürfen, und in welchem die Zeit um acht Stunden versetzt sein sollte. Jetzt war der Taktzyklus beider Module identisch, beide spiegelten die Alma-Zeit, und in jedem Modul gab es einen Dienstplan für eine kleine Nachtwache.
    Die Anmutung dieses Moduls war jedoch verblüffend anders. Der Farbanstrich der Sozialingenieure, urbanes Design im Kontrast zu Sebas Naturfarben, war sorgfältig weggeschrubbt worden, um die unverfälschte Textur der künstlichen Oberflächen darunter freizulegen, den Kunststoff, das Metall, das Glas. Selbst die Gitterelemente der Deckböden waren nackt. Die Bewohner von Hawila hatten das alle miteinander als eine Art künstlerischer Geste beschlossen – sie hatten sich dafür entschieden, mit der kühlen mechanischen Realität ihrer Umgebung zu leben, statt sie mit den Farben eines Planeten zu kaschieren, den keiner von ihnen jemals wiedersehen würde. Holle war Ingenieurin
genug, um an der nüchternen Schönheit des Ergebnisses Gefallen zu finden.
    Manche Flächen wurden jedoch von Kunstwerken in Form kostbarer Kleckse aus Wand-, Kreide- und Buntstiftfarben eingenommen. Auf dem fünften Deck hielt Holle bei einem Gemälde inne, das so etwas wie ein lichterfülltes Haus zeigte, umgeben von einem dunklen, bedrohlichen Himmel – und ein Klopfen an die Tür, dargestellt durch gelbe Farbbögen. Das Gemälde war signiert: HAWIL. TRAUMZIRKEL 4.
    »Psst.«
    Das Flüstern kam von unten. Sie schaute durch den Gitterboden und sah Wilson auf dem nächsten Deck unter ihr, in Unterhose und einer Weste, die seinen muskulösen Oberkörper zur Geltung brachte. »Gefällt dir das Kunstwerk?«
    »Nicht besonders. Ist ganz gut gemacht. Aber das Thema ist offensichtlich, oder?« Dies war einer der häufigsten Träume oder Alpträume der Crewmitglieder. Hier waren die (möglicherweise) letzten lebenden Menschen, und sie flohen in diesen Metallhülsen durchs Weltall: Was, wenn jemand an die Wand klopfte?
    Wilson grunzte. »Ich mag diese verdammten Traumzirkel nicht. Die recyceln doch nur morbiden Blödsinn wie den da. Ernähren sich wechselweise vom Seelenmüll der anderen.«
    »Kann sein. Aber an manchen Tagen gibt’s nichts zu tun, außer die Wände abzuschrubben, Wilson. Die Leute brauchen irgendwelche äußeren Stimuli.«
    Damit konnte sie Wilson nicht beeindrucken. »Ist doch bloß wieder so ein bescheuerter Spleen. Die Zirkel sind erst populär geworden, als wir den Zugang zu den HeadSpace-Zellen eingeschränkt haben. Apropos HeadSpace …«
    »Gehen wir zu Theo.«
    »Ja.«

     
    Holle folgte Wilson durch ein paar weitere Decks nach unten. Sie passierten Kabinendörfer, die sich auf subtile Weise von denen in Seba unterschieden. Die Besatzungsmitglieder bastelten an den Trennwänden herum und modfizierten alles allmählich nach ihrem eigenen Geschmack.
    »Ich nehme an, ihr habt die kleine Meg noch nicht gefunden«, sagte Holle.
    »Nein. Ich habe die Nachtwache auf die Suche geschickt, und wenn die anderen alle aufgewacht sind, inspizieren wir das Modul von oben bis unten. Wahrscheinlich müssen wir das verdammte Schiff dazu auseinandernehmen.«
    »Diese Kinder wachsen hier auf. Vermutlich kennen sie diese Module besser, als wir sie je kennen werden.«
    »Ja. Arme kleine Hunde. Morgen, Theo.«
    Theo Morell wartete vor einer kleinen Kabine auf sie, der HeadSpace-Zelle auf Deck elf. Er lehnte mit verschränkten Armen an einer Wand, und ein Handheld baumelte von seiner Taille. »Wie ich sehe, hast du Unterstützung mitgebracht. «
    »Dachte mir, es wäre am sichersten, eine Frau hier zu haben, falls Cora wieder ausflippt.«
    »Oh, das wird sie«, sagte Theo leichthin. »So wie immer.«
    Wilson warf einen Blick auf die Zelle. Über der Tür leuchtete ein rotes Lämpchen. »Ist sie da drin?«
    »Ja. Schon die ganze Nacht. Sie ist allein. Nimmt nicht mal ihre Kleine mit rein. Wollt ihr mal sehen?« Theo hob seinen Handheld hoch und drückte auf eine Taste.
    Ein Wandbildschirm leuchtete auf und zeigte ein kleines Mädchen. Es spielte auf einer sonnenbeschienenen Terrasse vor einer Wohnung mit Blick auf ein funkelndes Meer. Schattenhafte Avatare waren bei ihr. Die Terrasse war groß, das Meer
eine schimmernde Ebene, die sich zu einem scharfen Horizont mit blauem Himmel erstreckte.
    Die grundlegende Prämisse der Szene lag auf der Hand: Es ging um

Weitere Kostenlose Bücher