Die Letzte Arche
Werk, ihres und das ihrer Lehrlinge, und es störte sie auch nicht weiter, dass inmitten all der Politisiererei, des Gezänks und der täglichen Krisen niemand jemals davon Notiz zu nehmen schien.
Zurück in ihrer Kabine, zog sie Unterwäsche, Overall und Stiefel an.
Dann kletterte sie eine Reihe stählerner Leitern hinauf, die zur Nase des Moduls und zur Luftschleuse führten, von wo aus man den Transit nach Hawila antreten konnte. Wandkameras drehten sich und folgten ihren Bewegungen. Das Naturgrün-Konzept, eine Hinterlassenschaft der Erde, war bisher nicht modifiziert worden, obwohl die Farbe nach fünf Jahren abplatzte und abblätterte. Und nichts deutete auf das bevorstehende Tausend-Tage-Fest hin. Kelly hatte Gordo Alonzos Anregung beherzigt und war ganz wild darauf, Feiern zu veranstalten, wann immer es einen Anlass dafür gab, einen Jahrestag der Mission, einen Geburtstag. Angesichts der Knappheit an Ausgangsmaterialien wie Papier und Stoff drückten sich die künstlerischen Neigungen der Crew jedoch in flüchtigeren Formen aus: Gedichtvorträge, Musik, Tanz. Am Festtag, dem tausendsten Tag seit dem Warp-Start vom Jupiter, würde es im Modul für kurze Zeit hoch hergehen. Aber vorläufig schlummerten die künstlerischen Aktivitäten der Besatzungsmitglieder noch in ihren Köpfen, zusammen mit ihnen.
In der Nase des Moduls schlüpfte Holle aus ihren Stiefeln, zog ihre Snoopy-Funkhaube über und kletterte in einen der drei
Transitanzüge, die dort aufbewahrt wurden; sie hingen wie Puppen an der Wand. Der Anzug ließ sich problemlos schließen – Anschlüsse und Abdichtungen waren gut geschmiert –, aber es roch darin nach abgestandenen Fürzen. Sie führte die wichtigsten Dichtigkeitsprüfungen durch. Dann stieg sie in die Nasenschleuse hinauf und wartete, bis die Pumpen die kostbare Luft aus der kleinen Kammer entfernt hatten.
Diese Druckanzug-Sparversionen waren eine Innovation von Wilson, dem irgendwann der Geduldsfaden gerissen war, weil ein Raumspaziergang von einem Modul zum anderen immer so viel Zeit erforderte. Die wichtigste Änderung war am Luftinhalt des Anzugs vorgenommen worden, einem Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch von ungefähr demselben Druck wie im Innern der Module. Dieser höhere Druck machte den Anzug so starr, dass man sich damit kaum noch bewegen konnte, aber das spielte keine Rolle, wenn man lediglich von einem Modul zum anderen fliegen wollte. Das Wichtigste war, dass dank des höheren Drucks das stundenlange Voratmen entfiel, das vor einem richtigen Außenbordeinsatz nach wie vor erforderlich war.
Die Luke öffnete sich. Sie stieß sich in den Weltraum ab und stand gleich darauf auf der Nase des Moduls. Das weiche Isoliermaterial unter ihren gestiefelten Füßen war abgenutzt von den Jahren im Weltraum, perforiert von Mikrometeoritennarben, verbrannt von der Sonnenstrahlung und leicht angegilbt von den Schwefelverbindungen, die Io emittierte. Aber das Sternenbanner leuchtete noch immer in den Lichtern des Schiffes, und von ihrer Position aus konnte sie das fette schwarze U und N und I der Worte UNITED STATES sehen, die an der Flanke des Moduls gemalt worden waren, die Identität eines im Wasser versunkenen Staates, den Sternen zur Schau gestellt.
Sie klinkte sich in die Winde ein und begann durch die nachlassende Schwerkraft zum Beschleunigerring emporzusteigen. Im Gegensatz zu manchen Crewmitgliedern bereitete ihr der Transit selbst keine Probleme, ebenso wenig wie die eigentümlichen Sinneseindrücke, während die Schwerkraft auf null sank und dann jenseits des Mittelpunkts, zu Beginn des Abstiegs nach Hawila, umschlug. Wie immer fand sie jedoch den unnatürlichen Anblick gewaltiger, im Himmel hängender Massen von Technik beunruhigend; irgendein animalischer Teil von ihr war stets davon überzeugt, dass der ganze Krempel herabstürzen würde.
Nur Minuten, nachdem sie Seba verlassen hatte, sanken ihre gestiefelten Füße zu Hawilas Nase hinunter.
»Willkommen an Bord«, sagte Wilson leise über Funk. »Ich bin unten auf sechs.«
»Verstanden. Ich finde dich schon.«
61
Hawila regte sich, beendete eine weitere Schiffsnacht, aber die Lichter waren ebenso gedämpft wie an Bord von Seba. Die von der Erde angeordnete Routine unterschiedlicher Tag-Nacht-Zyklen in beiden Modulen, dank deren immer eine Häfte der Crew wach und einsatzfähig sein sollte, war wegen der Spannungen, die sie zwischen zwei Gruppen von Crewmitgliedern in unterschiedlichen Wachzuständen verursachte,
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