Die Letzte Arche
um einem das Leben schwerer zu machen.
Denver war nicht mehr so amüsant, wie es ihr bei ihrer Ankunft vor sechs Jahren erschienen war. Es wurde von Tag zu Tag schäbiger und füllte sich immer mehr mit Eye-Dees und all dem, was sie mitbrachten – darunter Krankheiten wie Tuberkulose, und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Antibiotika-Produktion allmählich zusammenbrach. Die Stadt selbst verwandelte sich in Erwartung einer härteren Zukunft. Neue Hochwasserschutzwände wurden errichtet, die Regenwasserkanalisation wurde ausgebaut. Wo immer möglich, riss man asphaltierte Flächen auf, um Erdreich freizulegen, wo man Feldfrüchte anbauen und, noch wichtiger, Hochwasser versickern lassen konnte. Im Jahr zuvor hatte eine Rekordzahl von Tornados die Stadt heimgesucht, ein weiteres Ergebnis der von der Flut verursachten globalen Erwärmung. Die großen Sirenen im Zentrum hatten immer wieder furchteinflößend geheult, und so manches ramponierte, entglaste Gebäude war hinterher kaum noch bewohnbar. Selbst wenn man aus der Stadt hinausfuhr – ihr Vater nahm sie manchmal ins Buschland außerhalb von Denvers weitläufigem Stadtgebiet mit –, gab es kein Entkommen. Überall wimmelte es von Eye-Dees, die zu Fuß aus den überschwemmten Oststaaten kamen und sich einfach niederließen, wo es nur irgend ging. Fanden sie nirgends Aufnahme, bauten sie sich Hütten aus Lehmziegeln, wie die Pioniere es einst getan hatten, vor hundertfünfzig Jahren, und fingen an, Kartoffeln zu pflanzen und Schweine zu züchten.
Manchmal vermisste Holle die gesicherte Siedlung im Staat New York, wo sie in ihrer frühen Kindheit gelebt hatte, mit ihren sauberen Wohnungen und Swimmingpools und der hohen, weiß getünchten Mauer, die den Rest der Welt ausschloss. Und kein Hochwasser, keine Tornados oder Eye-Dees in Sicht.
Sie war erleichtert, als sie den Colorado Boulevard erreichte und auf das Museum zuging, einen großen, wenn auch inzwischen vom Alter gefleckten Block aus Ziegelstein und Glas, der auf einer kleinen Anhöhe stand und auf die Fläche des Parks im Westen, Richtung Zentrum, und zu den Rockies dahinter hinausblickte. Von hier aus ähnelte der Park einem mittelalterlichen Dorf voller winziger Ackerparzellen und schäbiger Hütten, und Rauchfahnen stiegen von Dungfeuern empor. Aber das Museum auf seiner Anhöhe wurde von Festungsanlagen geschützt.
Holle musste ihren Kandidatenausweis vorzeigen und sich drei biometrischen ID-Überprüfungen unterziehen, bevor sie durch den Haupteingang hineindurfte. Als sie eintrat, waren alle anderen bereits drin – alle außer Zane Glemp, der an der Tür auf sie wartete.
»Tut mir leid«, sagte sie nach Luft ringend.
»Bei mir musst du dich nicht entschuldigen. Beeil dich.« Er führte sie ins Gebäude und durch ein hallendes Foyer zur Treppe hinter dem geschlossenen Museumsshop. Dies war ein heller, hoher, offener Raum, und über ihnen schwammen noch immer die staubigen Skelette der Meeressaurier aus Colorados verschwundenem Kreidemeer in der Luft.
Sie verspürte eine Aufwallung von Zuneigung für Zane. Er war ein mageres Kind und mit seinen zehn Jahren ein Jahr jünger als sie. Aber er hatte den Verstand seines Vaters und war zwei volle Semester vor ihr in die Akademie aufgenommen worden.
Er hatte ihr versprochen, sich an diesem ersten Morgen mit ihr zu treffen und ihr alles zu zeigen, und er hielt sein Versprechen, obwohl er dadurch Gefahr lief, ebenfalls zu spät zu kommen. »Danke, dass du auf mich gewartet hast.«
»Ich war schon hier.« Das stimmte; er hatte sein eigenes Zimmer in der Akademie. Dort wohnte er, wenn sein Vater fort war.
»Ich kann nichts dafür, dass ich zu spät komme. Im Park gab’s Unruhen, und ich …«
»Spar dir das. Die akzeptieren hier keine Entschuldigungen.«
»Ganz recht, Mr. Glemp.« Harry Smith stand mit einen Handwägelchen voller Bücher beim Fahrstuhlschacht. Er trat auf sie zu und verschränkte die Arme. »Schon am ersten Tag zu spät, Groundwater? Kein guter Anfang.« Er spielte den strengen Lehrer, nichts weiter. Auf Holle, die sich hier noch zurechtzufinden versuchte, wirkte das irgendwie beruhigend. Aber er stand sehr nah bei ihnen. Etwas an ihm machte sie immer nervös.
»Es wird nicht wieder vorkommen.«
Er nickte. »Gute Antwort.«
»Ich habe meine Arbeit fertig.« Sie holte ihren Handheld aus der Tasche und wollte ihm ihre Untersuchung über die ökologische Katastrophe zeigen, die sich in den Rockies ereignete, wo die Baumgrenze
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