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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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und sie schaut weg, und ich bin so blöd, einfach sowas von blöd ! Ich habe genau das Falsche gesagt. Aber mir fällt nichts ein, womit ich es wieder geradebiegen könnte, ohne völlig verstellt zu klingen.
    Ich habe keine Lust auf noch so ein Mode-Café, ich möchte, dass die verbliebene Zeit etwas Besonderes ist. Ich möchte alles richtig machen. Da sehe ich ein Schild, das interessant aussieht.
    »Sieh mal …« Ich stupse sie mit dem Ellbogen an. »Wollen wir da reingehen?«
    »Was?«, fragt sie. »Warum denn?«
    »Es ist warm, wir können was trinken, und dort ist bestimmt auch niemand, der uns kennt … es macht sicher Spaß … bitte, Claire …«
    Sie sieht mich an, als wäre ich geistesgestört, aber dann kommt sie doch mit und fängt an zu kichern, als ich zwei Eintrittskarten kaufe. Die Frau am Eingang sieht mich ein bisschen misstrauisch an, nimmt das Geld aber.
    »Das wird bestimmt die verrückteste Verabredung aller Zeiten«, sagt Claire.
    »Nein, wart’s nur ab. Du wirst schon sehen.«
    Dann gehen wir rein und alle Anwesenden starren uns an. Wir sind mit Abstand von ungefähr hundert Jahren die jüngsten Leute hier drin. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn es kommt nicht oft vor, dass Teenager Karten für einen Tanztee kaufen.
    Sofort kommt ein Typ auf uns zu. »Ihr verschwindet besser gleich wieder. Wir haben keine Lust auf Ärger mit Leuten wie euch.«
    »Wir wollen keinen Ärger machen«, erwidere ich. Clairelächelt ihn an, zieht ihre Jacke aus und fragt ihn höflich nach der Garderobe. Ziemlich geschickt, denn er zeigt uns sogleich ein paar Haken an der Wand und vergisst ganz, dass wir hier eigentlich unerwünscht sind.
    Früher hat Claire immer versucht, sich zu verstecken, in viel zu großen Hemden und Pullovern und hinter zerzausten Haaren. Jetzt hat sich ihre Kleidung ebenso verändert wie ihr Gesicht. Ihr hellgraues Top hat lange Ärmel, schmiegt sich aber eng an ihren Oberkörper an. Und ihr Körper … also, entweder hat sie obenherum ordentlich zugelegt oder sie hat kräftig ausgestopft oder sie hat sich da was implantieren lassen.
    Es kommt mir vor, als würde sie sich tarnen, als würde sie nur so tun als ob, als spielte sie jemand anderen … so wie ich es die ganze Zeit tun musste. Oder ist das die wahre Claire, die Claire, die immer versteckt gewesen ist? Ich weiß es nicht. Woher soll ich es auch wissen?
    Es ist total komisch, sich in diese komplett neue Claire zu verlieben, wo ich doch immer noch die alte liebe. Ich wollte ihr helfen, sich zu verändern. Jetzt hat sie das alles ganz alleine gemacht. Und sie hat mich nicht dazu gebraucht.
    »So«, sagt sie und lächelt mich an. »Wollen wir auch tanzen?«
    Ich nehme ihre Hand, lege ihr den Arm um die Taille und antworte: »Wir können es ja mal versuchen.«
    Mir wäre bessere Musik lieber gewesen, aber da Frank Sinatra einer der Lieblingssänger meiner Gran ist, kenne ich diese Lieder immerhin. Wir stolpern ein bisschenüber die Füße des anderen, bis sie merkt, dass ich weiß, was ich mache, sich entspannt und sich von mir führen lässt. Das Drehen und die Bewegung und der Blick in ihre Augen … genau das habe ich mir erhofft.
    Es spielt keine Rolle, dass wir in einem Saal der Kirchengemeinde sind und dass es keine Paillettenkleider und keine Discokugeln gibt, keine Band und auch keinen Bruce Forsyth. Eigentlich ist es besser, dass kein Bruce dabei ist, denn den kann ich bei Let’s Dance am wenigsten leiden. Ich möchte Claire etwas geben, womit sie den Tratsch mitsamt den hinterhältigen Gedanken und dem üblen Gerede vergessen kann. Ich habe es vielmehr auf Magie und Romantik abgesehen.
    Es scheint sogar zu funktionieren, denn sie lächelt und flüstert mir ins Ohr: »Was meinst du, was die Jury dazu sagen wird?«, und ich antworte: »Ach, ich glaube, die würde uns genial finden«, dann hebe ich sie hoch. Sie ist so leicht, ihre Haare riechen nach Erdbeeren. Ich probiere eine Drehung im amerikanischen Standardstil, dabei wird uns beiden ein bisschen schwindelig, und ich merke, dass mein Knöchel immer noch etwas wacklig ist; deshalb bin ich ganz froh, als das Lied zu Ende geht und ich sie absetzen kann.
    In diesem Augenblick fällt mir auf, dass alle alten Leute zu tanzen aufgehört haben und uns zuschauen. Einige von ihnen klatschen jetzt sogar. Eine alte Dame hat ihr Taschentuch hervorgezogen. »Gut gemacht«, ruft sie. »Es ist schön zu sehen, dass nicht alle jungen Leute Taschendiebe und Vandalen sind.«
    Wir

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