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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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Vorstädte übergeht und sich dann völlig auflöst. Archie rüttelt mich wach, als der Bus anhält. »Los, Ty«, sagt er, »wir sind da … Wir müssen hier aussteigen.«
    Es ist komisch, wieder am Meer zu sein. Der frische, scharfe Geruch, die kreischenden Möwen. Zuerst kann ich nur an Alistairs zugedeckte Leiche denken, das Blut auf Grans Hausschuhen. Aber dann geht’s wieder. Wir sind hier an der Südküste, meilenweit von allem entfernt, was an jenem Tag passiert ist.
    Archie reibt sich die Hände. »Starbucks«, sagt er, »komm schon. Ich könnte was Warmes zu trinken vertragen. Von dort können wir auch deine Freundin anrufen und ihr sagen, dass wir hier sind.«
    Ach du Scheiße! Ich habe Claires Nummer gar nicht, und sie checkt ihre Mails garantiert nicht, solange sie den ganzen Tag Fossilien jagt. Wie sollen wir sie dann finden? Wie soll ich Archie erklären, dass ich alles komplett vermasselt habe?
    Ich warte mit meinem Geständnis, bis er mir einen Latte mit Extrasahne bringt. Er reagiert erstaunlich lässig darauf. »Jugendherberge«, sagt er. »Da wohnen die Schulklassen immer bei Ausflügen.« Schon zieht er seinen Laptop heraus, findet eine Liste von Hostels, fängt an herumzutelefonierenund zu fragen, ob sie eine Schülergruppe aus der Parkview School haben. Erstaunlicherweise ist es gleich die erste Adresse auf der Liste und er bucht für uns ein Doppelzimmer.
    Der süße Kaffee wärmt mich und ich kriege das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, weil ich an Claire denke und daran, wie sehr sie sich freuen wird. Ich will sie auch wahnsinnig gerne sehen … sie berühren …
    Archie hört auf, in sein Handy zu quasseln und sagt: »Bingo!«, und wir klatschen uns ab. Er strahlt. So langsam wird mir der Typ sympathisch.
    Wir trinken unseren Kaffee und er sagt: »Es stimmt doch, oder? Was du mir gesagt hast? Ich dachte, du machst Witze, aber es hat gestimmt. Dein Gesichtsausdruck in diesem Zug. Ich dachte, du kriegst einen Herzanfall.«
    Verdammt. Ich dachte, ich hätte ganz ruhig, selbstbewusst und mutig gewirkt. »Es stimmt alles«, sage ich.
    »Super! Das ist ja wie im Kino. Du bist wie ein Filmstar!«
    »Eigentlich nicht«, erwidere ich und nehme einen großen Schluck Latte. »Dort, wo wir vorher gewohnt haben, war alles ganz normal.«
    »Dort, wo du Claire kennengelernt hast?«
    »Äähh … ja …«
    »Sie ist echt was Besonderes, hä?«
    »Allerdings«, sage ich. Und dann wird mir alles klar. Meine Mum weiß, was ich für Claire empfinde. Sobald sie gemerkt haben, dass wir abgehauen sind, hat sie garantiert Claires Mum angerufen. Dann weiß sie jetzt, dassClaire auf Schulexkursion ist. Wir dürfen auf gar keinen Fall zu dieser Jugendherberge.
    Ich springe auf und kippe den Latte über den ganzen Tisch. »Scheiße!«, brüllt Archie. »Pass doch auf! Der Laptop!«
    Ich kriege die Panik. »Archie … Herrgott noch mal … ich bin so blöd.«
    »Fällt dir das jetzt erst auf?«, kichert er. »Wisch das auf, du Schussel.«
    Die Tür geht auf und ein Schwall kalter Luft weht herein. Ich blicke über die Schulter und suche nach meiner Mum oder Patrick. Aber alles ist in Ordnung, glaube ich, es sind nur zwei ziemlich heiße Mädchen, eine klein und blond, die andere groß und dunkelhaarig, die sich im Café nach ihren Freunden umschauen.
    Und dann kommen sie an unseren Tisch. Und die Blonde sagt: »Mein Gott … du bist es wirklich … ich wollte es erst nicht glauben, als ich deine Nachricht bekommen habe …«
    Heilige Muttergottes!
    Es ist Claire.

Kapitel 14
Let’s Dance
    Als ich Claire kennengelernt habe, ging es ihr nicht besonders gut. Ashley, meine erste und sehr schlechte Wahl, was das Thema Freundin angeht, ist echt fies zu ihr gewesen. Claire war sich wie eine komplette Versagerin vorgekommen und hat auch so ausgesehen. Viel zu weite, schlabberige Klamotten, die Haare ständig im Gesicht und einen Gesichtsausdruck wie ein permanent erschrockenes Kaninchen.
    Es war ein absolutes Wunder, dass mir überhaupt aufgefallen ist, wie hübsch sie eigentlich ist und wie weich und glänzend ihr mausgraues Haar ist. Sogar ich bin mir manchmal ein bisschen schräg vorgekommen, als ich auf einmal für sie geschwärmt habe, weil sie meistens aussah wie eine verhuschte Zehnjährige.
    Diese Claire hier ist ganz anders. Diese Claire hat kurze blonde Stachelhaare, verschmierten grauen Eyeliner und dunkle Mascara. Sie trägt enge Jeans und silberne Ringe in den Ohren. Auf ihren Lippen schimmert Lipgloss. Sie

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