Die letzte Aussage
verlassen die Tanzfläche, holen uns Tee und Kekse und setzen uns an einen der kleinen Tische, die rings um die Tanzfläche aufgestellt sind. Claire lacht mich an. »Ich hätte nicht gedacht, dass du ein Let’s Dance -Fan bist«, sagt sie.
»Meine Gran ist der größte Let ’ s dance -Fan der Welt. Außerdem nimmt sie Salsa-Unterricht und macht Line Dancing, und bevor sie Kinder hatte, hat sie sogar auf Turnieren getanzt.«
Ich mache eine kurze Pause. Dann verrate ich ihr eines meiner allerallergrößten Geheimnisse: »Als ich sechs war, hat sie mich zu einem Kurs in Gesellschaftstanz angemeldet, ich bin zwei Jahre hingegangen. Aber das darfst du niemandem verraten. Besonders Carl und Brian nicht.« Es ist völlig egal, dass ich nicht mehr an ihrer Schule bin. Ich will nicht, dass sie über mich herziehen.
»Vielleicht trittst du ja eines Tages bei Let ’ s Dance auf«, sagt sie. »Die haben dort auch Sportler, oder? Wenn du genug Medaillen gewonnen hast.«
»Ja, genau. Aber zuerst muss ich wieder ein richtiges Leben haben.« Dann bringe ich sie auf den neuesten Stand und erzähle, was seit unserer letzten Begegnung passiert ist.
Sie will nicht über Alistair reden. »Ellie war außer sich«, sagt sie und wechselt rasch das Thema. Am meisten interessiert sie die Geschichte mit meinem Dad. Sie hat jede Menge Fragen zu ihm, die ich alle nicht beantworten kann. Ich weiß nicht, was er arbeitet, wo er wohnt, ob er verheiratet ist oder welche Musik er gerne hört.
»Hört sich so an, als hättest du beschlossen, dich nicht für ihn zu interessieren«, sagt sie enttäuscht.
»Na ja, ich war ja auch noch verletzt, ich war sogar über Nacht im Krankenhaus.«
»Trotzdem, Joe, es ist dein Dad und du hast ihn noch nie gesehen.«
»Hmm. Hab ich dir schon gesagt, dass mein Großvater Französisch wie ein richtiger Franzose spricht?« Aber sie interessiert sich nicht für Patrick und sagt: »Du musst deinen Dad besser kennenlernen. Vielleicht ist er ja auch gut in Sprachen.«
Dann sagt sie: »Joe, ich muss dich so viel fragen. Diese Mail, die du mir geschickt hast … das kannst du nicht tun. Du kannst mir nicht einfach so was vor die Füße kippen, wenn ich nicht mal weiß, wann ich dich wiedersehe.«
»Ich bin doch jetzt da, oder?«, erwidere ich ein bisschen schmollend und nehme ihre Hand. »Bitte, Claire, kannst du das nicht einfach vergessen? Es war bloß eine blöde Mail. Sie hat nichts zu bedeuten.«
»Von wegen«, gibt sie ungehalten zurück. »Sie hat sehr viel zu bedeuten. Ich muss wissen, was du damit gemeint hast. Wen hast du verletzt? Warum lügst du?«
»Ach, das ist alles ziemlich kompliziert«, fange ich zögerlich an, aber dann sieht sie auf ihre Uhr und erschrickt. »Oh Gott, ich hätte schon vor einer Stunde in der Herberge sein müssen. Jetzt kriege ich ganz schön Ärger.« Sie schiebt die Hand in die Tasche und zieht ihr Handy heraus. »Siehst du … sieben verpasste Anrufe. Mr Hunt ist bestimmt sauer. Komm, wir gehen lieber gleich los.«
»Mr Hunt?« Das kann nicht ihr Ernst sein. Sie ist mit Mr Hunt, meinem alten Klassenlehrer, auf Exkursion hier, mit dem Typ, der mich hasst, der sich garantiert an jede Einzelheit meiner beiden Schulverweise und meines überstürzten Abgangs von der Schule erinnert! Er hält mich für einen Schläger, einen Brutalo … so einen, der Mädchen zum Sex zwingt. Wenn er mich im Umkreis von zwanzig Meilen um Claire sieht, ruft er sofort die Polizei.
»Können wir nicht später gehen? Claire … bitte …«
Sie zieht ihre Jacke an und knöpft sie zu. Sie lässt sich Zeit dabei, ihre Finger tasten nach den Knöpfen, und ich sehe, dass sie Tränen in den Augen hat.
»Was … was ist denn los?«, frage ich verunsichert. Ich würde sie am liebsten wieder hochheben und ihre Tränen wegküssen. Aber sie reibt sich mit der Hand über das Gesicht und wendet den Blick von mir ab.
»Wir müssen später darüber reden«, sagt sie. »Du musst mir erklären … was du gemeint hast. Und ich habe keine Ahnung, was danach passieren soll, denn entweder hast du die Polizei angelogen oder mich. Was stimmt denn nun?«
Ich mache den Mund auf. Ich möchte ihr die ganze Geschichte erzählen, alles, was ich getan habe, ob es nun richtig war oder falsch.
Aber sie sagt nur: »Gib dir keine Mühe, darauf zu antworten.«
Kapitel 15
Klassentreffen
Es kommt mir vor, als hätte sie mir die Brust mit einem Fleischerbeil gespalten und mein Herz bloßgelegt, und jetzt verblute ich hier
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