Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
schwindelig und alles ist ein bisschen verschwommen.
    Dann höre ich Mr Hendersons Stimme. Er kommt den Flur entlang. »Sie stecken alle irgendwo zusammen«, sagt er. »Wir müssen nur das richtige Zimmer finden.«
    Ich hole tief Luft. Patrick ist nicht hier. Aber Mr Henderson ist auch ein vernünftiger Mann. Er hat Mr Hunt dabei – verdammt –, aber vielleicht ist er bereit, allein mit mir zu reden. Ich brauche nur ein kurzes Gespräch. Vielleicht … Ich muss nur … die richtigen Worte finden. Ich muss ihn einfach nur fragen.
    Ich stoße mich von der Wand ab. »Mr Henderson –«, sage ich. Meine Stimme hört sich weicher an als erwartet, deshalb räuspere ich mich und probiere es noch einmal.
    Er kommt direkt auf mich zu. Legt die Hand auf meinen Arm. »Joe«, sagt er. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich … ich …« Ich kann nicht weiterreden. Ein greller, süßer Geschmack steigt in meiner Kehle hoch. Ich versuche, ihn aufzuhalten, hinunterzuwürgen, aber es ist zu spät. Aus meinem Mund schießt ein gelber Schwall Kotze … Pommes und Kaffee und Wodka und Cola … wüääähhrg … voll über seine Schuhe und es spritzt sogar auf seine Jeans.
    »Herr im Himmel!«, ruft er laut.
    Ich huste und stottere: »Tut mir leid –«, dann renne ich davon. Ich renne die Treppe hinunter und zur Tür hinaus und in den schneidend kalten Abend hinein.

Kapitel 17
Twilight
    Claire sitzt allein ganz hinten in dem leeren Café. Sie hat sich ein Oberteil von jemandem geliehen, der doppelt so groß ist wie sie, und ihr kleines Gesicht ist unter der tief heruntergezogenen Kapuze kaum zu sehen. Sie sieht wieder mehr wie die alte Claire aus, verängstigt und traurig und klein.
    Als ich mich ihr gegenüber hinsetze, bin ich mir so ziemlich sicher, dass ich kein Erbrochenes an mir habe. Mr Henderson hat so gut wie alles abgekriegt, dazu ein kleiner Klecks für Mr Hunt – aber ich habe einen widerlichen Geschmack im Mund und weiß nicht genau, ob man das auch riecht. Wodka mit Kotze. Aber was soll ich machen?
    »Wollt ihr jetzt etwas bestellen oder nicht?«, fragt die Frau hinter dem Tresen und Claire nimmt eine heiße Schokolade und ich bitte um ein Glas Leitungswasser. Die Frau funkelt mich finster an, und als sie damit ankommt, ist es lauwarm. Ich nehme einen Schluck und spüle damit meinen Mund aus, als Claire gerade nicht hinsieht.
    »Joe … mmm … Ty …«, sagt Claire und schon steigen ihrTränen in die Augen. Ich kann ihre Gedanken lesen. Sie will mich loswerden.
    »Sag’s nicht«, flehe ich sie an. »Hör mal, es ist schon in Ordnung. Ich gehe auch so. Wir müssen das hier nicht diskutieren. Vergiss mich einfach und alles ist wieder gut.«
    »Nein …« Sie zieht ein Papiertaschentuch hervor und putzt sich die Nase. Mein Kopf pocht wie wild. Ich sehe sie in diesem grellen Neonlicht an. »Ich habe alles falsch gemacht«, sagt sie. »Kannst du … willst du mir verzeihen?«
    Hä?
    »Ähhh …« Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Dann hebt sie den Kopf, ihre Augen sind geschlossen und ihre Lippen sind gespitzt. Ich glaube sie will wirklich, dass ich sie jetzt küsse. Aber das geht nicht, weil ich sie nicht anekeln will. Ich prüfe rasch meinen Atem, während ihre Augen noch geschlossen sind – der Geruch ist niederschmetternd.
    Also sage ich: »Ich weiß nicht, was du meinst«, und Claire sieht ein bisschen enttäuscht aus und schaut sich nach der Bedienung um und sagt: »Lass uns irgendwo hingehen, wo wir allein sind.«
    Wir gehen um die Ecke, auf die Straße mit der Bushaltestelle. Ich schaue zu Starbucks hinüber, wo es warm und gemütlich ist, aber sie marschiert daran vorbei, bis zu einer einsamen Bank, die bestimmt sehr romantisch wäre, wenn es nicht gerade Schnee regnen und ich an hochgradigem Kotzeatem leiden würde.
    Wir setzen uns dort also hin, ein bisschen verlegen, und sie sieht mich hoffnungsvoll an, und ich schaue mich um und tue so, als käme es mir überhaupt nicht in den Sinn, sie zu küssen. Nach einer Weile flüstert sie: »Hat es wehgetan, als ich dich getreten habe?«
    »Ach was«, lüge ich.
    »Gut. Ich hätte das nicht tun sollen. Ich hatte nur Angst, dass ich zu spät komme.«
    »Und jetzt? Suchen sie dich denn nicht?«
    Sie zuckt die Achseln. »Ist mir egal. Du und ich … das ist wichtiger als alles andere. Sollen sie doch sagen, was sie wollen. Niemand kann uns daran hindern, dass wir zusammen sind.«
    Ich möchte die Stimmung nicht verderben. Ich möchte sie nicht an die schlimmen

Weitere Kostenlose Bücher