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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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bist. Zoe ist überall herumgerannt und hat gesagt, dass sie lügen, als herumerzählt wurde, Claire sei schwanger und was weiß ich noch alles.«
    Ich möchte gar nicht wissen, was sich hinter was weiß ich noch alles verbirgt.
    »Deshalb finde ich, dass du uns ein paar Antworten schuldest.«
    »Ja, schon …«, stammele ich. »Es … es ist alles nur … ziemlich kompliziert. Und gefää… gefährlich.«
    »Macht nix«, meint Brian. »Versuch’s einfach.«
    »Hmmm … also … eigentlich heiße ich überhaupt nicht Joe«, sage ich und fange dann an zu lachen, als ich sein verdutztes Gesicht sehe. Er sieht einfach zu komisch aus. Ich lache so krass, dass mir der Bauch wehtut.
    »Hör auf, uns zu verscheißern«, knurrt Carl, der jetzt neben Brian steht.
    Ich bin überrascht. »Mach ich ja nicht … ehrlich nicht. Es stimmt. Ich bin … jemand will mich umbringen. Sie haben versucht, mich zu erschießen. Sie haben jemandenumgebracht. Mein ganzes Leben ist ein einziges Durcheinander und ihr fehlt mir alle und auch Parkview und das alles fehlt mir.«
    Jetzt lache ich nicht mehr. Meine Stimme ist leise und zittrig und niemand sagt etwas. Im Hintergrund singt Cheryl Cole Love Machine. Es ist der Lieblings-Karaoke-Song meiner Mum. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich ihn zuletzt von ihr gehört habe.
    »Jetzt spinn nicht rum«, sagt Brian. »Glaubst du wirklich, dass wir dir das abkaufen?«
    »Hmm. Ja.« Sie denken, dass ich mir das alles ausgedacht habe.
    Dann sagt Archie: »Es stimmt wirklich«, und ich kann ihre Gesichter nicht mehr ertragen. Ich will nur noch Claire.
    Auf einmal klopft es an der Tür und noch ein paar Leute von Parkview quetschen sich rein. An einige kann ich mich noch gut erinnern, mit anderen habe ich damals nicht mal geredet. Sie trinken Wodka, machen Bierdosen auf, rauchen. Ich wäre gerne einer von ihnen. Aber das bin ich nicht.
    Bei dem Gedränge kann Brian sein Kreuzverhör unmöglich fortsetzen. »Joe, wir … wir unterhalten uns später noch, ja?«, sagt er verunsichert, dann werden er und Emily und Carl weitergeschoben. Archies Arm legt sich um Zoes Taille. Sein Gesicht ist gerötet, er ist bei seiner dritten Wodka-Cola und schiebt sich näher an Zoes Ohr, wahrscheinlich weil er glaubt, dass ihn das näher an ihre Lippen bringt. Ich stoße ihn an. »Archie … ich brauche Geld.«
    Er nimmt den Blick für einen Sekundenbruchteil von Zoe und murmelt: »In meiner Tasche. Unter dem Bett.«
    Ich fische seinen Rucksack hervor und beuge mich so darüber, dass niemand hineinschauen kann. Ein dickes Bündel Geldscheine liegt darin. Ich zähle mir fünfzig Tacken in Zehnern ab und es ist immer noch jede Menge übrig. Ich überlege kurz und nehme mir noch mal fünfzig. Zurückgeben kann ich sie ihm ja immer noch.
    Auch Archies Handy ist da drin. Meine Hand schließt sich darum und ich schiebe es in meine hintere Hosentasche. Ich bin ja nur eine Stunde oder so weg. Und man weiß nie, ob man so was nicht gerade dann dringend braucht.
    Genau genommen habe ich es nicht gestohlen, denn ich gehe direkt zu ihm und murmele: »Archie, ich habe mir etwas Geld genommen und mir dein Handy geborgt, ja?« Ist ja nicht meine Schuld, dass er zu sehr damit beschäftigt ist, an Zoes Ohrläppchen zu knabbern, um zu schnallen, was ich gerade gesagt habe.
    Er sieht völlig weggetreten und glücklich aus. Er sieht so aus, wie ich einmal ausgesehen habe, damals, als ich noch Joe war, als ich cool und selbstbewusst war. Als ich noch nicht kapiert hatte, dass, wenn dich irgendwelche Leute umbringen wollen, es ihnen irgendwann auch mal gelingen könnte.
    Hätten sie auf den Richtigen geschossen, würde ich jetzt in einem Sarg liegen, tot und begraben. Wie ein Teilnehmer bei Ich bin ein Star – bloß dass man nicht lauthals nach den Moderatoren schreien kann, damit sie einenrausholen. Nein, man bleibt für immer und ewig dort im Dunkeln, bei den Ratten und Spinnen und Würmern. Wie lange es wohl dauert, bis ein Körper anfängt zu verfaulen? Wie Alistair jetzt wohl aussieht?
    Ich halte das alles nicht mehr aus. Ich halte überhaupt nichts mehr aus. Ich brauche Hilfe. Jemanden, der weiß, wie ich mit meiner Mum und meinem Dad umgehen soll, jemanden, der mir sagt, wo’s langgeht … der mir eine Richtung vorgibt. Patrick. Ich brauche Patrick. Wie kann ich ihn erreichen?
    Ich stehe vom Bett auf und drängele mich bis zur Tür. Niemandem fällt es auf. Draußen im Flur lehne ich mich an die Wand. Mir ist ganz heiß und

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