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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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dich einschließen«, sagt er. »Ich weiß nicht viel von dir, aber ich weiß, dass du gerne abhaust. In der vergangenen Woche bist du gleich zweimal abgehauen.«
    Aha. Na denn. Trotzdem finde ich es ziemlich menschenunwürdig. Wenn ich jetzt dringend hätte pinkeln müssen?
    »Ich habe meinen Vater angerufen und auch noch einmal mit Nicki geredet«, sagt er, »also mit zwei Leuten, mit denen ich unter normalen Umständen nie rede. Sie haben beide behauptet, sie hätten dir nie gesagt, dass ich sie geschlagen hätte. Sie waren beide sehr erstaunt darüber … und haben sich gewundert, wie du auf diese Idee gekommen bist.«
    »Patrick hat aber gesagt, du hättest sie ins Krankenhaus befördert«, sage ich und habe schon wieder den Mund voller Kuchen.
    »Er hat auch gesagt, er hätte dir geraten, darüber mit Nicki und mir zu reden. In diesem Punkt war ich mit ihm sogar einer Meinung.«
    »Ach ja? Na, dazu hab ich ja auch jede Menge Gelegenheit gehabt.« Ich hatte eigentlich vor, ernst und verbittert zu klingen, aber der Effekt verpufft ein bisschen in dem Zuckergussregen, der über meine Hände sprüht. Ich lecke die Krümel wieder ab.
    »Jetzt hör mir mal zu. Ich habe Nicki nie geschlagen, das musst du mir glauben.«
    Er könnte lügen. Aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass er nicht lügt. Ich will, dass er die Wahrheit gesagt hat. Der Kuchen schmeckt hervorragend. Mir geht es schon viel besser.
    »Wie auch immer«, fährt er fort. »Hast du dir die Fotos und die Briefe und das alles angesehen? Hast du jetzt eine bessere Vorstellung davon?«
    »Ja, also …« Ich wundere mich ein bisschen darüber, wie es ihm gelungen ist, meine Wut mit einem Lächeln und ein bisschen Kuchen zu entschärfen. Und ich weiß nicht, wie ich ihn nennen soll, was ziemlich nervig ist, denn ich muss ihm ganz dringend etwas sagen. Was war es noch?
    Er nimmt ein Foto in die Hand. Es ist wieder eins, auf dem ich noch richtig klein bin, ein kleines Bündel in einer blauen Decke. Er hält mich in einem Arm und hat den anderen um meine Mum gelegt und grinst wieder so richtig bescheuert in die Kamera. Es sieht aus wie das Gegenteil von diesen Sexualkundebroschüren, in denen einem gesagt wird, dass man sich sein ganzes Leben versaut, wenn man kein Kondom benutzt. Die beiden machen einen richtig glücklichen Eindruck.
    »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«, sagt er. »Normalerweise rede ich nie über diesen Abschnitt in meinem Leben. Es tut zu weh. Nur meine Schwestern wissen darüber Bescheid, und natürlich Louise.«
    »Du hast Kontakt zu Louise gehabt?«
    »Nicht sehr oft. Aber sie hat mir ab und zu mitgeteilt, wie es dir geht und was du so machst.«
    Meine Tante Louise ist offensichtlich eine Dreifachagentin gewesen, die geheime Informationen über mich vertickt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass meine Mum nie wieder mit ihr redet. Sie sind sowieso noch nie so besonders gut miteinander ausgekommen.
    »Hör mal, Da… Danny …«, sage ich ziemlich nervös.
    »Warst du schon mal verliebt?«, fragt er. »Dieses Mädchen … Katie heißt sie, oder? Liebst du sie wirklich?«
    Katie? Er kriegt nicht mal Claires Namen auf die Reihe. Egal. Es geht ihn ohnehin nichts an. »Ich muss mit dir reden«, sage ich. »Können wir uns diese Sachen hier später ansehen?«
    »Es ist wichtig, dass du die Wahrheit erfährst«, erwidert er.
    »Ja, schon, aber …«
    »Ich kenne Nicki schon ewig, schon als Louises kleine Schwester«, sagt er. »Sie war ein nerviges Kind – laut, aufdringlich. Dann ist ihr Vater gestorben und wir sind zur Beerdigung gegangen. Seit ich sie zuletzt gesehen hatte, war sie richtig groß geworden. Sie war erstaunlich … wunderschön. Danach haben wir uns immer wieder verabredet. Wir haben es niemandem gesagt, weil sie nicht wollte, dass die Leute erfahren, dass wir bei der Beerdigung ihres Vaters zusammengekommen sind.«
    Sie haben bei Opas Beerdigung rumgemacht? Unglaublich. So langsam kann ich verstehen, wieso sich Grans Stirn immer in tiefe Falten legt, sobald jemand meinen Dad erwähnt. Und das passiert oft.
    »Ich habe mich einfach total verliebt«, sagt er. »Seither habe ich so etwas nie wieder erlebt. Sie war wunderbar – so zielstrebig. Sie wollte Sportlerin werden, wollte einen sehr guten Schulabschluss machen und dann Rechtsanwältin werden, vielleicht sogar Premierministerin. Nicki hätte alles erreichen können. Sie war etwas ganz Besonderes … Ich ließ mich damals einfach treiben und hatte keine Ahnung, was

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