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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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Treppe heraufkommt.
    »Ich wusste nicht, dass du hier bist, du verfluchter Langfinger«, ruft sie, aber sie hört sich nicht richtig wütend an. »Wer ist ›uns‹? Du hast doch nicht etwa diese Schnalle Angie mitgebracht? Oh!«
    Jetzt hat sie mich erblickt. »Na, das ist natürlich was ganz anderes!«, sagt sie.
    »Wir reden immer so miteinander«, sagt mein Dad zu mir. »Das mit Angie ist nur ein Witz. Angie ist meine Assistentin, und das weißt du genau, Tess.«
    »So hat es damals aber nicht ausgesehen«, erwidert Tess. Sie hat diese blonden Haare, die fast weiß aussehen, und sie hat sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trägt eine enge schwarze Bluse und einen kurzen grauen Rock und eine absolut angesagte Brille, hellroten Lippenstift und unglaublich hohe Absätze. Nicht mal meine Mum trägt dermaßen hohe Absätze. Sie kann einem ein bisschen Angst einjagen. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso sie sich für meinen Dad interessieren könnte.
    »Ja, schon, aber das war was anderes, das war ihr Geburtstag«, erwidert er, und sein Blick besagt, dass sie die Klappe halten soll. »Ich möchte dir jemanden vorstellen. Das hier ist mein … mein Sohn. Tyler, das ist meine Mitbewohnerin Tess.«
    Ich setze ein Lächeln auf, aber Tess versucht nicht mal, höflich zu sein.
    »Was? Mein Gott«, sagt sie. »Machst du Witze? Hast du eben mein Sohn gesagt?« Sie betrachtet mich von oben bis unten und lacht. »Hast du den schon mit zwölf gekriegt?Das wäre ja mal wieder typisch. Echt, Danny, das ist ja saukomisch. Warum heißt er Tyler Tyler?«
    Es ist ziemlich unhöflich, über jemanden zu reden, der direkt vor einem steht, besonders dann, wenn man ihn gerade erst kennengelernt hat. »So heiße ich nicht«, sage ich, schiebe mich an ihr vorbei und trampele runter in die Küche. Der Schokoladenkuchen steht auf dem Tisch und auf dem Boden liegt ein kaputtes Glas in einer Rotweinpfütze. Ich kümmere mich nicht weiter darum und nehme mir noch ein Stück Kuchen. Mein Geburtstagskuchen. Mir ist ein bisschen schlecht.
    Ich höre Dad und Tess oben miteinander reden. Zwischendrin wird immer wieder leise gemurmelt. »Was hätte ich denn sagen sollen, nachdem du mir so eine Neuigkeit an den Kopf knallst?«, fragt sie. »Wieso hast du ihn bis jetzt nie erwähnt? Nicht einmal angedeutet? Stand er plötzlich vor der Tür? Bist du sicher, dass es dein Kind ist?«
    Murmel, murmel. Dann sagt sie: »Lucy bringt dich garantiert um. Du weißt, dass sie den Kuchen für den Geburtstag von ihrer Mutter gebacken hat.«
    Ich sehe den Kuchen an. Die Hälfte davon ist schon weg. Ich lege die Hand auf die andere Hälfte und drücke sie langsam nach unten. Glasur quillt zwischen meinen Fingern hervor und einzelne Kuchenbröckchen fallen auf den Boden. Dem Rest versetze ich ein paar gepflegte Handkantenschläge. Dann wische ich mir die Hand am Hemd ab.
    Mein Dad kommt reingestürmt, Tess direkt hinterher.»Ah, da bist du ja. Schön …« Wahrscheinlich hat er gedacht, ich wäre wieder abgehauen. Ich beachte ihn überhaupt nicht.
    Tess erblickt die Überreste des Kuchens.
    »Oh Gott!«, ruft sie entsetzt. »Was hat er gemacht?«
    Ich wische ein Stück Guss mit dem Finger auf, stecke ihn in den Mund und lecke ihn ab. Dabei sehe ich sie an. Vielmehr starre ich sie an. Ich mustere sie von oben bis unten. So wie Arron manchmal irgendwelche Mädchen angesehen hat, die wir in der U-Bahn getroffen haben.
    Sie sieht mir in die Augen, dann sagt sie: »Danny, wir müssen uns mal kurz unterhalten.«
    »Ist ja gut, ich gebe Lucy Geld für einen neuen Kuchen«, erwidert mein Dad. Auch er sieht mich an und kaut an seinem Daumennagel. »Wir müssen eine Weile weg von hier, Tess, und es wäre besser, wenn auch du und Lucy übergangsweise woanders wohnen würdet. Es gibt da gewisse Probleme …« Er redet nicht weiter, sondern kratzt sich am Kopf. Dann richtet er den Blick wieder auf mich.
    Ich will nicht, dass Tess mich für einen ängstlichen kleinen Jungen hält, der sich vor irgendwelchen eingebildeten bösen Männern fürchtet. Wahrscheinlich hat Dad seine Nummer sowieso bloß Sylvia gegeben, der Frau am Empfang vom Boxclub, die sie innerhalb von fünf Minuten verloren hat.
    »Ist schon gut«, sage ich. »Fehlinfo meinerseits. Wir müssen nicht die Biege machen. Alles chillig.« MeineMum würde durchdrehen, wenn sie mich so gangstamäßig reden hören würde. Mein Dad und Tess zucken nicht mal mit der Wimper.
    Deshalb schiebe ich noch einen Spruch

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