Die letzte Aussage
ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich wollte vielleicht Jura studieren, wie mein Vater undmeine Schwester, weil mir nichts anderes einfiel … Die Vorstellung, Nicki zu verlieren, war unerträglich. Ich wollte vor allem dafür sorgen, dass ich sie nie wieder verlieren würde. Deshalb bin ich auf die Idee gekommen, dass wir zusammen ein Kind haben könnten.«
Wie bitte? Egal, ich darf mich nicht länger ablenken lassen. »Ja, ganz tolle Geschichte, aber ich muss dich jetzt etwas fragen.«
»Klar doch, alles, was du willst«, sagt er.
»Als du zu Nathan gekommen bist und mich dort abgeholt hast … hast du da vorher Nathan angerufen? Oder hat er dich angerufen?«
Er sieht mich verwundert an. »Ich habe ihm gestern eine Nachricht hinterlassen. Gleich nachdem du verschwunden warst, bin ich sofort nach London gefahren. Dann hat er mich angerufen, als du bei ihm aufgetaucht bist, und ich bin so schnell wie möglich zu ihm gefahren.«
»Dann hast du ihm also deine Handynummer gegeben?«
»Na ja, also …«
»Und die anderen? Die anderen Leute, mit denen du geredet hast? Im Boxclub? Hast du denen auch deine Nummer gegeben?«
»Ja, aber das spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Ich habe dich ja gefunden.«
»Nein, darum geht’s nicht« – ich packe ihn am Arm. »Dad, wir sind in Gefahr, wir müssen weg hier. Wenn sie mitkriegen, dass du mich gefunden hast, kommen sie her, um nach mir zu suchen, und wenn sie deine Handynummerhaben, kriegen sie auch deine Adresse raus … diese Adresse …«
Er legt sanft den Arm um mich. »Ty, ich habe mit Nathan geredet, ehe wir wussten, dass du dort draußen auf dem Balkon bist. Er hat gesagt, du wärst durchgedreht … paranoid … Das ist ja auch absolut verständlich, wenn man bedenkt, was dir alles zugestoßen ist.«
»Nein, ehrlich … es stimmt wirklich. Die Polizei hat uns gesagt, dass Handys total unsicher sind. Sie können alle Daten nachverfolgen, ich weiß es.« Ich zittere in seinem Arm und versuche verzweifelt, ihn zum Zuhören zu bewegen. »Wir müssen weg hier. Du musst auch deine Freundinnen warnen. Ich glaube, dass sie hier nicht mehr sicher sind und …«
»Ty. Niemand verfolgt uns. Da bin ich ganz sicher. Nathan ist mir sehr zuverlässig vorgekommen. Alles ist gut. Entspann dich. Du bist in Sicherheit.«
Ich seufze. Ich möchte ihm gerne glauben. Ich weiß, dass ich immer alles falsch verstehe. Ich möchte am liebsten hier sitzen und noch mehr Kuchen essen und ihn ein bisschen besser kennenlernen.
Aber ich kann nicht.
»Sie müssen dich nicht unbedingt verfolgen. Sie tauchen einfach hier auf. Dieser Boxclub ist voll mit Jukes’ Leuten. Als Alistair erschossen wurde …« Meine Stimme versagt mir den Dienst. »Meine Mum hat ihn angerufen. Und am nächsten Tag war er tot.«
»Na schön«, sagt mein Dad bedächtig. »Ich möchte nicht, dass du dich ängstigst. Wir fahren zu einem Freundvon mir. Ich muss nur rasch Tess und Lucy anrufen und es ihnen erklären. Vielleicht können sie auch ein paar Tage bei Freunden bleiben.«
Ich nicke dankbar. »Danke … äh … Dad.«
Wir sammeln die Fotos und Briefe rasch wieder ein und schieben alles zurück in die Tasche. Er nimmt sein Handy und will gerade seine ménage à trois anrufen.
Dann erstarren wir beide.
Wir hören ein knarrendes Geräusch, jemand läuft unten in der Wohnung herum. Und dann das Klirren von splitterndem Glas.
Kapitel 26
Bombenentschärfung
Wir schleichen langsam die Treppe runter, bis zur Badezimmertür. Dann zeigt mein Dad wieder die Treppe hinauf. Er macht mir pantomimisch klar, dass ich die Tür zuschließen soll. Ich schüttele den Kopf. Ich sitze nicht dort oben hinter verschlossenen Türen, während er hier unten erschossen wird. Was ist, wenn sie eine Brandbombe mitgebracht haben?
Unten knarrt eine Tür. Wir hören Schritte … jemand geht dort umher. Ich halte den Atem an … zittere …
Er tätschelt mir die Hand und flüstert: »Keine Bange … ich habe den schwarzen Gürtel in Taekwondo.« Er kapiert es nicht … Er hat überhaupt keine Ahnung …
Dann hören wir eine Frauenstimme: »Verdammt noch mal, Danny, du elender Dieb!«
Mein Dad lacht und ruft: »Tess! Meine Güte, du hast uns einen mordsmäßigen Schrecken eingejagt!«
Ich bin ein kompletter Idiot. Immer muss ich alles falsch verstehen. Ich betrachte intensiv die gerahmten Schwarz-Weiß-Fotos an der Wand, als Tess – ich glaube, das war die Ab-und-zu-momentan-absolut-nichts, die beim Fernsehen arbeitet – die
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