Die letzte Aussage
mich, dass ich fünfzehn bin und mit meinem Dad Bier trinke und dem Feuerwerk zusehe. Mit meinem Dad. Wer hätte das gedacht?
Vielleicht liegt es am Bier, vielleicht auch daran, dass ich mich beinahe sicher fühle, vielleicht auch daran, dass ich Feuerwerke schon immer toll fand, jedenfalls bin ich auf einmal richtig gut drauf. Die tanzenden Sterne erfüllen mich mit neuer Hoffnung. Feuer kann ebenso schön wie gefährlich sein. Vielleicht kann ich das Feuer in mir drin in den Griff kriegen, es vielleicht sogar in etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches verwandeln.
Falls es nicht völlig ausgelöscht wird.
Eine ganze Weile essen wir schweigend, dann sagt er: »Diese Geschichte mit Tess … du hältst mich bestimmt für einen … einen …« Er spricht nicht zu Ende.
»Du bist ein Frauenheld«, sage ich rasch.
Er kratzt sich am Kopf. »Nein … Nein, das habe ich nicht gemeint.«
Was denn?
»Ich möchte nicht, dass du denkst, es sei eine gute Sache, wenn man … das macht, was ich mache …«, sagt er.
Ich glaube, ich kann mir denken, was er meint. Aber es ist interessant, dass es anscheinend kein männliches Gegenstück zu dem Begriff »Schlampe« gibt.
Er lacht und sagt: »Ich weiß, dass mir das später noch mal leidtut. Ich denke solche Dinge nie bis zum Ende durch.«
»Ach so. Hm. Geht mir ähnlich.« Oh Gott, warum habe ich das gesagt? Jetzt denkt er, ich bin so wie er und bumse jedes Mädchen, das mir in die Finger kommt.
»Ja«, sagt er und wischt etwas Chutney mit dem Rest vom Nan-Brot auf. »Darüber müssen wir noch reden.«
Was soll das denn heißen?
»Als du in die Tasche geschaut hast … was hast du alles gelesen?«, fragt er jetzt. »Die Krankenakte auch?«
Krankenakte? »Nein … da war so ein Brief, aber ich habe nicht viel gelesen. Ich habe mir ein paar Fotos von dir … und von Mum angesehen.«
Am liebsten würde ich sagen: »Ihr habt so glücklich ausgesehen, so glücklich, dass ich mir nicht vorstellen kann, warum du mich so lange alleingelassen hast.« Aber ich kriege die Worte nicht raus. Vielleicht habe ich ja irgendwas angestellt? Aber was hätte ich als so kleines Kind schon anstellen können?
Er nimmt einen großen Schluck von seinem Bier. »Hör mal, die Einzelheiten spielen keine Rolle. Ich bin damals zur Uni gegangen. Nicki hat dich nach Manchester gebracht, damit wir alle zusammen sein können. Zuerst war das ganz toll, aber wir haben alle in einer winzigen Wohnung aufeinandergehockt, und ich musste jede Mengefürs Studium arbeiten. Geld war auch knapp. Es war nicht einfach. Dann musste deine Mum ins Krankenhaus. Ich habe es nicht geschafft, mich um dich zu kümmern, deshalb habe ich meine Eltern gebeten, dass sie sich eine Weile um dich kümmern. Mehr ist letztendlich eigentlich nicht passiert.«
Er spult das alles so schnell runter, dass ich gar keine Zeit für Fragen habe.
»Aber dann … was ist dann passiert? Warum ist sie so wütend auf dich?«
»Das musst du sie fragen«, lautet seine Antwort. Seine Stimme hat wieder diesen kalten, abweisenden Ton angenommen. »Jedenfalls habe ich sie nicht geschlagen.«
»Aber –«
»Sie kam aus dem Krankenhaus und war plötzlich der Meinung, dass sie nicht mehr mit mir zusammen sein wollte, und damit war die Geschichte aus.«
Das ist nicht einmal der Anfang dieser Geschichte. Ich weiß nicht, wie ich mich dazu verhalten soll. Offensichtlich hat er beschlossen, nicht mit mir zu reden. Meine gute Stimmung löst sich auf, stirbt ab, stürzt auf die Erde und zerschellt. Ich blicke aus dem Fenster und sehe die grünen Sterne und goldenen Funken und versuche, es nicht zu nah an mich rankommen zu lassen.
Vielleicht erfahre ich nie, was damals geschehen ist. Vielleicht muss ich diesen Preis dafür zahlen, dass ich meinen Dad wenigstens jetzt kennengelernt habe. Vielleicht ist es ja auch etwas so Schreckliches, dass es mich völlig zerstören würde, wenn ich es erfahren würde. Deshalbhat er sich auch so lange von mir ferngehalten. Um mich zu schützen – aber wovor?
Dann sagt er: »Das ist jetzt alles Vergangenheit. Was zählt, ist das Hier und Jetzt. Und jetzt möchte ich gerne etwas über dein Leben erfahren. Du hast mir so sehr gefehlt.« Dann will er wissen, welche Filme ich mag und welche Musik, wir reden über Fußball und über das Laufen, über meine Lieblingsfächer in der Schule und über meine Hassfächer, und darüber, warum wir beide St. Saviours so verabscheut haben.
Ich erzähle ihm ein bisschen vom
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