Die letzte Aussage
Zeugenschutzprogramm, auch von meiner ersten Freundin Ashley und wie ich damals Claire gefunden habe. Er stellt mir richtig gute Fragen, und meine Angst, meine Trauer und meine Übelkeit verschwinden allmählich.
Dann sagt er: »Erzähl mir was von Arron. Er ist doch in London dein bester Freund gewesen, stimmt’s?«
Ich zucke die Achseln. »Was weißt du denn von Arron?«
»Na ja, Nicki hat mir seine Telefonnummer und seine Adresse gegeben und mir gesagt, dass Arrons Familie vielleicht etwas von dir gehört hat. Sie hat gesagt, er sei dein bester Freund gewesen. Ich weiß auch, dass er irgendetwas mit der Tat zu tun hat, die du mit angesehen hast, und ich weiß, dass er momentan in Untersuchungshaft sitzt. Aber ich weiß nicht, wie er so ist. Ich weiß nicht, wieso ihr Freunde gewesen seid.«
»Er … er hat auf mich aufgepasst. Er war größer als ich, er wusste viel besser Bescheid, weil er einen älteren Bruder hatte. Er hatte viele andere Freunde und damit hatteich die auch. Ich brauchte Arron irgendwie, weil ich mir selbst nicht allzu viel zugetraut habe«, antworte ich. Meine Stimme zittert ein bisschen.
»Habt ihr denn viel gemeinsam gehabt?«
»Ja, schon. Er war sehr lustig. Aber in der letzten Zeit … sind wir nicht mehr so gut miteinander ausgekommen.«
Ich erzähle ihm jetzt auf keinen Fall, wie mich Arron aufgezogen hat … dass er gesagt hat, ich sei schwul, ein Mädchen … dass er immer wollte, dass ich aggressiver bin. Ich erzähle ihm auch nicht, dass Arron mich angelogen hat, dass er insgeheim geplant hat, dass ich jemanden ausraube und mit Drogen deale. Wenn ich ihm das erzähle, stehe ich wie ein dummer Schwächling da, der sich reinlegen lässt, und genau so soll mich mein Dad nicht sehen.
»Verstehe«, sagt er und stellt sein Bier ab. »Ihr seid also nicht so gut miteinander ausgekommen. Dann sag mir doch: Hast du deshalb auf ihn eingestochen?«
Kapitel 27
Wahrheit
Mein Mund klappt auf und ein Stück Hühnchen fällt heraus. Seine Stimme war so ruhig, dass ich nicht recht glauben will, was er gerade gesagt hat. Vielleicht hat er es ja gar nicht gesagt. Vielleicht habe ich es mir nur eingebildet … die Stimme des Gewissens, so was in der Art …
»Warum hast du auf Arron eingestochen?«, fragt er noch einmal.
»Ich … ich … Wer hat das gesagt? Nathan?«
»Nein, Ty, nicht Nathan«, antwortet er, beugt sich vor und sieht mich an. Ich kratze eifrig die letzten Reste des Dhal aus der Schüssel. »Du hast es mir gesagt.«
»Was?« In meinem Kopf geht alles wild durcheinander, während ich überlege, wovon er da eigentlich redet … Es ergibt keinen Sinn … Wir haben uns bei Helen und Patrick so gut wie überhaupt nicht unterhalten.
»Im Krankenhaus. Du hast erst gesagt: ›Geh weg, geh weg.‹ Ich dachte, du meinst mich, dass du willst, ich solle weggehen. Dann hast du fantasiert … mit jemandem geredet, der nicht da war. ›Halt die Klappe‹, hast du gesagt, ›hör auf, davon zu reden, ich hätte Arron verletzt.‹ Ich wollte seither mit dir darüber sprechen, aber du bist mirimmer aus dem Weg gegangen. Ich dachte, wahrscheinlich willst du deshalb nicht mit mir reden. Aber vielleicht habe ich mich ja getäuscht. Vielleicht wolltest du mir auf jeden Fall aus dem Weg gehen.«
»Dort bei Helen und Patrick hat alles nicht gestimmt. Ich war krank, ich wollte dich nicht so kennenlernen.«
»Ty. Versuch jetzt nicht, das Thema zu wechseln.«
Ich kann ihn nicht ansehen. In meinem Kopf wirbelt alles wild durcheinander. Letztendlich dreht sich alles um die eine Frage: Wahrheit oder Lüge?
»Ich kann nicht … Ich kann nicht darüber reden.«
»Sprich einfach mit mir darüber«, sagt er. Wie kriegt er immer diese ruhige und feste Stimme hin? Meine Mum hätte mich längst angeschrien, wenn sie glaubte, ich hätte jemanden mit einem Messer verletzt. Vielleicht liegt es daran, dass ihm das alles letztendlich scheißegal ist.
Ich nicke ganz langsam. Dann schaue ich aus dem Fenster. Er räumt das übrige Essen weg, die leeren Schalen und die schmutzigen Teller, dann kommt er wieder und setzt sich hinter mich auf die Fensterbank. Ich kann ihn nicht sehen, aber er ist so nahe, dass ich seinen Atem im Nacken spüre. Er fasst mich nicht an, aber wenn ich wollte, könnte ich mich an ihn lehnen.
Ich will aber nicht.
Ich sage es, so schnell ich kann: »Es war nachdem … nachdem Rio schon tot war. Sie haben miteinander gekämpft, und ich bin weggerannt, um Hilfe zu holen. Ich habe
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