Die letzte Aussage
kann nie wissen.« Ich komme mir wie ein Idiot vor, weil er offensichtlich nur darauf wartet, dass ich mich endlich schlafen lege, damit er zu der schnippischen Tess ins Bett kriechen kann. Aber ich bin viel zu müde, um mir darüber groß Gedanken zu machen.
Ich versinke in der Dunkelheit, aber schon bald träume ich von Blut und Schlamm und Ungeheuern. Dann renne ich vor einem Waldbrand davon, und egal, wohin ich mich wende, ist alles von umstürzenden Bäumen, herabfallender Asche und dichtem, dunklem Rauch versperrt. Die Flammen fauchen und knistern immer lauter.
Ich habe Angst und bin ganz allein und völlig verzweifelt. Dann höre ich jemanden schreien und weiß nicht, ob ich es bin oder Arron, und ich weiß, dass ich träume, deshalb versuche ich mit aller Kraft aufzuwachen.
Ich wache auch auf und liege keuchend und schwitzend und mit Dads Bettdecke um die Beine geschlungen auf dem Bett.
Aber das Schreien hat nicht aufgehört.
Kapitel 28
Twister
Alles ist dunkel, als ich die Treppe runterstolpere. Ich sollte wohl nach Dad sehen, denke ich … aber der ist bei dieser Tess … und ich kann ja wohl niemanden dort unten einfach so schreien lassen. Es hört sich an wie eine Frau. Es hört sich an, als hätte sie grässliche Schmerzen.
Unter der Küchentür ist Licht zu sehen. Die Schreie haben jetzt aufgehört, aber ich höre jemanden weinen, und dann die Stimme eines Mannes, die brüllt: »Wo ist er? Er ist hier gewesen … Sag uns … wo er ist!«
Durch einen kleinen Spalt kann ich in die Küche sehen. Zwei Männer halten eine Frau an den Armen fest, einer von ihnen hält ihr ein Messer an die Kehle. Ich habe die Frau noch nie gesehen, aber sie ist ungefähr Mitte zwanzig und sieht richtig gut aus, mit großen Augen und lockigen Haaren. Das muss Lucy sein, der dritte Teil der ménage à trois. Das Weiße in ihren Augen bildet einen Kontrast zu ihrer dunklen Haut. Sie hat Angst, ihr Gesicht ist nass von Tränen.
Ich sollte lieber wieder nach oben schleichen und meinen Dad suchen. Ich sollte mir überlegen, wie ich am schnellsten die Polizei rufe. Aber sie schütteln sie und sieschreit schon wieder und dieses Geräusch kann ich nicht mehr ertragen.
Ich platze in die Küche hinein. »Oh Gott!«, kreischt sie. »Wer bist du?«
»Lasst sie los«, rufe ich. »Ich bin derjenige, den ihr sucht. Tut ihr nichts … lasst sie in Ruhe!«
Sie drehen sich zu mir um. Beide sind ganz in Schwarz gekleidet und haben Skimasken über den Gesichtern. Sie sehen ein bisschen aus wie die muslimischen Frauen, die immer in Mr Patels Laden gekommen sind. Aber die Frauen hatten hübsche, lächelnde Augen und diese Typen … diese Typen nicht.
Sie lassen Lucy los und sie fällt auf den Boden, wo sie schluchzend und weinend liegen bleibt. Sie packen mich, kneifen mich und verdrehen mir die Arme. »Ist er das?«, grunzt einer und sein Kumpel glotzt mich aus nächster Nähe an. Ich kann seinen Mund nicht sehen, aber ich rieche seinen ekelhaften Atem. Ich winde mich in ihrem Griff und trete um mich, um von ihnen loszukommen.
»Ja, das ist er«, sagt der Typ. »Ganz sicher.« Ich sterbe fast vor Angst und Entsetzen, denn ich kenne diese Stimme.
Es ist Jukes. Es ist der Kerl, dessen Familie uns schon seit dem Tag jagt, an dem ich meine Aussage bei der Polizei gemacht habe. Was zum Teufel macht er hier? Sollte er nicht im Gefängnis sitzen?
»Du musstest ja unbedingt quatschen«, sagt er. »Du konntest ja nicht einfach die Klappe halten und vergessen, dass du dort warst!«
Ich zittere, ich will ihn anbetteln, mich in Ruhe zu lassen. Ich werde der Polizei sagen, dass ich gelogen habe, ich sage ihnen, dass ich Rio erstochen habe … ich sage alles … alles … ich will nur am Leben bleiben. Aber diese Worte kommen nicht aus mir heraus. Stattdessen schreie ich: »Lass mich los … du Mörder …«, und ich reiße das Knie hoch, ramme es ihm brutal in die Eier, so wie es meine Mum damals im Selbstverteidigungskurs für Frauen gelernt hat.
Er schreit laut auf – ein Geräusch wie bei den Gorillas zur Fütterungszeit – und boxt mir in den Magen. Dann tritt ihm jemand gegen den Arm, sein Messer fliegt quer durchs Zimmer und er fällt nach hinten. Mein Dad tritt ihm zweimal fest ins Gesicht und wirbelt herum, um auch dem anderen Typen einen Tritt zu verpassen. Zack! Voll in die Zähne. Das mit dem schwarzen Gürtel in Taekwondo war wohl kein Witz.
Jukes liegt stöhnend auf dem Boden, und ich weiß, dass ich mich auf ihn stürzen und
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