Die letzte Aussage
ihn dort festhalten sollte, aber ich kann mich einfach nicht bewegen. Ich weiß nicht warum, aber ich bin ganz schwach und mir ist heiß und meine Beine zittern. Tess springt Jukes auf den Rücken, während mein Dad dem anderen noch einen Tritt verpasst. Tess ist mit einem Jimmy Choo bewaffnet, und als Jukes versucht, sich zu bewegen, knallt sie ihm den Schuh voll auf die Stirn.
Meine Beine versagen komplett den Dienst. Ich gehe zitternd in die Knie. Es ist nur der Schock, gleich geht es mir bestimmt wieder prima.
Es klopft brutal laut an der Tür, eine Klingel schrillt, jemand ruft von draußen. »Lucy …«, keucht mein Dad, »das ist die Polizei. Lass sie rein … sag ihnen …« Er liegt quer über Jukes’ Kumpel, der seinen Unterkiefer festhält und gleichzeitig versucht, meinen Dad zu erwürgen.
Lucy stolpert zur Tür. Ich hocke ihr im Weg, will mich wegbewegen, aber es geht nicht. Sie sieht mich an und fängt schon wieder an zu schreien. Ich weiß nicht warum. »Luce … um Himmels willen!«, brüllt sie mein Dad an, »geh weiter … sofort …«, und sie schluckt schwer und schiebt sich an mir vorbei. Die Tür schlägt hinter ihr zu.
Jukes windet sich wie eine Schlange, Tess hat alle Mühe, auf ihm hocken zu bleiben. Sie packt seine Skimaske und zieht sie ihm vom Kopf. Er flucht, spuckt und nennt sie eine Dreckshure. Sie haut mit dem High Heel auf sein Auge und er lässt den Kopf zurückfallen, schlägt die Hände vors Gesicht und kreischt. Ein schöneres Geräusch kann ich mir in diesem Moment nicht vorstellen.
Dann poltert und trampelt es auf der Treppe und die Küche ist voller Polizisten. Einer fällt beinahe über mich und ich will aufstehen, aber meine Beine haben noch immer keinen Plan. Ich kann mich nicht mal kleiner machen, ich liege einfach auf dem Boden.
Zwei Bullen packen Jukes und schleifen ihn aus dem Zimmer. Zwei andere packen seinen Kumpel. Mein Dad schreit und brüllt jetzt laut. Er rüttelt einen Polizisten am Arm und zeigt auf mich. Ich verstehe nicht, was er sagt. Der ganze Lärm ergibt keinen Sinn. Alles schwirrt und summt in meinem Kopf herum.
Dann kniet sich ein Typ neben mich und fasst mich an. Was zum Teufel geht hier vor? Ich versuche ihn wegzuschieben, aber meine Arme funktionieren auch nicht mehr. »Alles in Ordnung, mein Junge«, sagt er. »Wir bringen dich gleich hier raus.«
Mein Dad steht neben mir und schreit den Mann an. Jetzt kann ich ihn verstehen. »Sie müssen ihm helfen … Tun Sie doch was … Bitte, Ty, nicht einschlafen … Bleib bei uns …«
Das T-Shirt von meinem Dad klebt an mir. Es fühlt sich nass an, auch die eine Seite der Unterhose. Komisch. Ich versuche, klar zu sehen, aber das Zimmer dreht sich um mich, immer schneller … Es ist wie auf dem Jahrmarkt, wie auf dem Twister. Mein Dad nimmt meine Hand, und ich spüre nur seine kalten Finger, die mich festhalten, während alles andere sich um mich herum wie wild dreht.
Ich schaue nach unten und sehe rot. Eine dünne rote Linie, die an meinem Bein hinabläuft. Auf dem Boden eine dunkelrote Pfütze. Aber wenn ich blute, müsste es doch wehtun, oder? Ich bilde mir das alles nur ein. Ich sehe bestimmt das Blut … das viele Blut … als Rio erstochen wurde, als ich Arron verletzt habe. Ich fange wieder an zittern. Ich muss würgen. Mir ist ganz komisch und schwindelig und alles verschwimmt in glitzerndem Staub.
»Halte durch, Ty«, sagt mein Dad, »halte durch. Es ist gleich Hilfe da, sie sind hier …«
Ich strenge mich geradezu übermenschlich an, ummeinen Mund in Bewegung zu setzen, drehe den Kopf, damit ich meinen Dad ansehen kann. Durch die funkensprühenden Flecken, die in meinem Kopf tanzen, sehe ich seine großen braunen Augen.
»Ich will zu meiner Mum«, sage ich und drücke seine Hand. »Bitte, hol Mum.«
Kapitel 29
Das Tor
Ich stehe mit meiner Mum auf einer staubigen Straße. Es ist so heiß, dass die Luft flimmert. Ich schwitze und würde am liebsten irgendwo reingehen. Es ist einfach viel zu heiß. Ich brauche Wasser. Ein sengender Wind weht roten Staub rings um uns auf. Ich kann kaum etwas sehen.
Da sind eine grobe Steinmauer und ein großes schwarzes Eisentor. Meine Mum rüttelt daran. Ein Mann mit einem Klemmbrett kommt heraus und macht das Tor hinter sich mit einem lauten Scheppern zu, das mir in den Ohren wehtut.
»Das ist mein Sohn«, sagt sie, »Tyler Michael Lewis. Steht er auf Ihrer Liste?«
»Nein«, antwortet er. »Nein. Er steht nicht auf der Liste. Wir haben hier keinen
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