Die letzte Chance - Final Jeopardy
glauben, also verschwende deine Zeit nicht.«
Ich winkte den Ober herbei. »Ich bin am Verhungern. Weißt du schon, was du willst?« Joan nickte. Ich bestellte für mich einen Insalata tricolore und Penne arrabiata, während sie sich für eine Minestrone und eine Portion Linguine in weißer Muschelsauce entschied.
»Im Grunde bist du meine chinesische Mauer, Joan. Ich möchte nicht, daß du mir was von Jed erzählst. Seine Entschuldigungen oder Erklärungen interessieren mich nicht. Ich weiß, daß er versuchen wird, dich zu benutzen, und er weiß, wo er dich findet. Was auch immer es ist, ich möchte nichts hören, okay?«
»Jawohl, Frau Staatsanwältin.«
»Ich hoffe, wenn ich ihm kein Gehör schenke, wird er gezwungen sein, mit der Polizei zu reden. Ich bin einfach nicht in der Lage, mir seine Geschichte anzuhören, und im Augenblick ist er nicht bereit, mit Chapman zusammenzuarbeiten. Ich weiß also nicht, ob er auf der Insel war, als Isabella erschossen wurde, und ich weiß auch nicht, ob er überhaupt etwas mit ihrem Tod zu tun hat. Aber wenn er es sich unbedingt von der Seele reden will, dann soll er das im Morddezernat tun, und nicht bei dir oder mir.«
Bis unsere Vorspeisen kamen, hatte ich Joan überzeugt, das Thema zu wechseln. Während des Essens informierte sie mich
über die neuesten Nachrichten aus aller Welt, berichtete mir über eine Kritik des neuesten Stoppard-Stücks, das erst letzte Woche Premiere gehabt hatte, und schilderte mir, was sie zum literarischen Lions-Dinner tragen wollte, das zu Ehren ihrer Edgar-Nominierung gegeben wurde. Zwei doppelte koffeinfreie Espressos, die Rechnung, und dann winkten wir uns ein Taxi herbei, so daß sie mich an meinem Wohngebäude absetzen und dann zu ihrer Wohnung weiter uptown fahren konnte.
»Hier ist etwas für Sie, Miss Cooper.« Sobald ich durch die Drehtür gekommen war, händigte Victor mir den großen braunen Umschlag aus, den Chapman abgegeben hatte. Unter meinen Namen hatte er noch gekritzelt: »Die heutige Final-Jeopardy-Antwort lautet - Giuseppe di Lampedusa.«
Ich stieg in den Fahrstuhl. Während ich an der Metallklammer des Umschlags fummelte, murmelte ich vor mich hin: »Und die Frage lautet - wer schrieb Der Leopard?« Ich sollte Mike das Buch eigentlich irgendwann geben, dachte ich im stillen; ich wußte, er würde diese fiktive Version der italienischen Geschichte mögen, dargestellt am Untergang einer alteingesessenen aristokratischen Familie. Auf den Polizeiberichten war ein großer gelber Aufkleber, auf den Mike geschrieben hatte: »Darüber habe ich nicht mit dir gewettet. Ich dachte, du wüßtest es. Ich dachte, es wäre eine sexuell übertragene Krankheit. Blätter das mal durch - ich ruf dich morgen an.«
Am Anrufbeantworter blinkte kein rotes Lämpchen. Entweder nahmen meine Freunde an, daß mein Leben sich wieder normalisiert hatte, und machten sich keine Sorgen mehr um mich, oder sie hatten alle auf das übliche »Sie ist hart, sie schafft das schon« umgeschaltet. So oder so war ich in gewisser Weise erleichtert. Ich streifte die Schuhe ab und schlüpfte in einen Gymnastikanzug, dann legte ich mich aufs Bett, um die heutige Post durchzusehen, und las die Korrespondenz, die man in Isabellas Haus nach ihrem Tod gefunden hatte.
Bericht des Morddezernats Los Angeles. Detective Reynoldo Loperra. Beigefügt sind Schriftstücke, die auf dem Schreibtisch der Toten bei der vom Sheriff von Chilmark, Mass., veranlaßten Durchsuchung gefunden wurden.
Teuerste Isabella,
ich möchte zunächst auf Ihre höchst ernsthafte Besorgnis hinsichtlich Ihrer bevorstehenden Reise nach Martha’s Vineyard eingehen. Vielleicht sind Sie überrascht, daß ich so viel über Ihre Pläne weiß, aber ich muß zugeben, daß Sie ungewöhnlich sorglos deutliche Hinweise gegeben haben, die mir zu Ohren gekommen sind, und, wie Sie inzwischen wohl gemerkt haben, ich bin in dieser Hinsicht fast ein Medium. Sollten Sie deswegen irgendwelche Zweifel haben, kann Sie vielleicht unser gemeinsamer Freund beruhigen.
Ihr Doppelspiel und Ihre Verlogenheit hätten etwas Sadistisches, cara Isabella, wenn nicht alles so sinnlos gewesen wäre. Meine Sorge, ob Sie eine gute Kandidatin für eine Psychoanalyse wären, beruht auf meiner Angst, daß dies Ihre bösartige Lüsternheit noch verstärken würde, für eine Frau von Ihrem Bekanntheitsgrad ganz und gar unangebracht.
Ich weiß zwar, daß Sie ein starkes Ego haben, dennoch fürchte ich, wenn Sie erfahren, daß Sie
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