Die letzte Chance - Final Jeopardy
ist. Sie hatten einen Notruf, hatte was mit dem Con-Ed-Vergewaltiger zu tun. Kein neuer Fall, nur ein möglicher Verdächtiger. Sarah muß mit Ihnen sprechen - sie hat eine Frage wegen eines Durchsuchungsbefehls. Und Elaine von Escada hat angerufen. Das Kostüm, das Sie bestellt haben, sei da. Können Sie zu dem Laden fahren, um es anzuprobieren?«
»Sie soll’s einfach schicken. Ich fahr’ nie dorthin.«
Ich fing zu arbeiten an, trank meine dritte Tasse Kaffee und rief Sarah und mehrere andere Staatsanwälte an, die mich per E-Mail um Hilfe gebeten hatten. Dann verbrachte ich einige Zeit damit, einen Teil der Post zu beantworten, die sich auf meinem Schreibtisch angesammelt hatte. Als ich damit fertig war, sagte
ich Laura, ich würde mir oben anschauen, wie ein neuer Angehöriger der Abteilung sein erstes Schlußplädoyer halten würde. Ich nahm einen Block mit und begab mich in den Verhandlungstrakt im fünfzehnten Stock, wo ich mich hinten hinsetzte, um mir Notizen für die Manöverkritik zu machen, die ich nach der Urteilsverkündung abhalten würde.
Fast eine geschlagene Stunde lang hörte ich zu, wie der Verteidiger seine Version der Fakten dieses Falles herunterleierte. Es handelte sich um Vergewaltigung durch einen Freund - automatisch ein schwieriger Prozeß. Sarah und ich hatten unseren Neuling Mark Acciano auf die Probleme vorbereitet, denen er sich vor den Geschworenen gegenübersehen würde. Die meisten Menschen hielten eine derartige Tat für weit weniger schwerwiegend als eine Vergewaltigung durch einen Fremden. Der Versuch, die Geschworenen im Laufe des Prozesses eines Besseren zu belehren - falls man diejenigen mit dieser Einstellung nicht schon während des Geschworenenauswahlverfahrens erkannt und ausgeschieden hatte -, war praktisch zum Scheitern verurteilt.
Anders als bei den Fällen, in denen die Opfer von bewaffneten Tätern angegriffen wurden, die sie noch nie gesehen hatten, waren an der typischen Vergewaltigung durch einen Freund zwei Menschen beteiligt, die zusammen waren, weil sie einander mochten und ihre Zeit miteinander verbringen wollten. Viele Psychologen nannten diese Fälle »Vertrauensvergewaltigungen«, da es dazu kam, wenn eine Frau jemandem vertraute, bei dem sie sich sicher fühlte und der dann dieses Vertrauen mißbrauchte. Während die Geschworenen im allgemeinen Mitgefühl mit Frauen empfinden, die von Fremden vergewaltigt worden sind, sind sie in Fällen, wo die Verteidigung versucht, den Opfern eine Mitschuld an den Vorfällen zu unterstellen, die zu den sexuellen Handlungen führen, sehr viel härter. Die typische Strategie besteht darin, daß man die Frau wegen aller Aspekte in ihrer Lebensweise attackiert - angefangen von ihrer Art, sich zu kleiden, über ihren Alkohol- und Drogenkonsum bis zu der Anziehung, die sie anfangs auf den Angeklagten ausübte und die nichts anderes besagte, als daß sie »es so gewollt habe«. Das waren üble Verhandlungen.
Als der Verteidiger Platz nahm, erhob sich Mark, um sein Schlußplädoyer zu halten. Zunächst ließ er sämtliche Beweise Revue passieren, er rief jedes Wort und jede Handlung, die nach Aussage der Klägerin vom Täter im Laufe mehrerer Stunden geäußert und begangen worden waren, als sie nach einem gemeinsamen Essen in ihre Wohnung zurückgekehrt waren, in Erinnerung. Mark räumte freimütig die Schwachpunkte ein - wieviel Alkohol sie konsumiert hatte, wieweit sie im Vorspiel gegangen war -, blieb aber hart im Hinblick auf die Tatsache, daß keiner dieser Faktoren dem Angeklagten das Recht einräumte, sie zum Beischlaf mit ihm zu zwingen. Wie Sarah und ich es mit ihm eingeübt hatten, schilderte er anschaulich und emphatisch die Drohungen des Angeklagten und die Kraft, mit der er sein Opfer festgehalten hatte, als es versuchte, sich zu wehren und sich seinem Angriff zu entziehen.
Das Opfer hatte prompt reagiert, eher ungewöhnlich in einem derartig gelagerten Fall. Meist sind die Frauen sich nicht sicher, ob sie das Verbrechen anzeigen sollen, aus Angst, man werde ihnen nicht glauben. Das ärztliche Gutachten war in diesem Fall ein nützliches Instrument, und Mark erläuterte es den Geschworenen sorgfältig. Die Male an den Handgelenken und den Schenkelinnenseiten der jungen Frau bestätigten ihre Story über den Druck, den der Angeklagte ausgeübt hatte - nein, er habe sie nicht geschlagen, und sie habe auch keine blauen Flecken bekommen, aber sie sei gegen ihren Willen niedergedrückt worden. Diese Male
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