Die letzte Chance - Final Jeopardy
und ich zu ihrer Wohnung, um ihren Bruder zu holen. Wir sagten ihm, was passiert ist und daß seine Schwester gesagt hat, Otis hat es getan. Ihr Bruder Kenny war unheimlich sauer. Er wußte genau, wer dieser Otis war und wo er wohnte. Sagte uns, der Kerl heißt in Wirklichkeit Herman Myers, daß sie ihn aber Otis nennen, weil er immer in Fahrstühlen herumlungere und auf alte Frauen warte, um sie auszurauben. Er ist erst vor ein paar Wochen wegen dieser Raubüberfälle aus dem Gefängnis entlassen worden. Kenny brachte uns gleich zu seiner Wohnung, wir klopften an, und als Otis auf den Gang herauskam, um mit uns zu reden, schnappten wir ihn uns.«
»Hübscher Fang«, lobte ich Corchado. »Ist das Ihr erstes Kapitalverbrechen?«
»Ja, tatsächlich, Ma’am.«
»Na, herzlichen Glückwunsch. Sie können stolz darauf sein. Laura wird Sie zu Sarahs Büro hinunterschicken, und Anfang nächster Woche wird gegen ihn Anklage erhoben.«
»Ja, schon, aber da ist noch ein Problem. Otis... na ja, sein Anwalt rief auf dem Revier an und will Gegenklage einreichen.«
»Was?!«
»Na ja, Miss Cooper, Kenny hat dem Angeklagten mit einem Baseballschläger auf den Kopf gedroschen. Otis ist im Krankenhaus - hat eine böse Rißwunde am Kopf. Daher hat mir der Lieutenant gesagt, ich soll Sie aufsuchen. Müssen wir Kenny auch einbuchten?«
»Warum um Himmels willen haben Sie denn das zugelassen?« fragte ich, während meine Freude über die Verhaftung sich in Ärger verwandelte.
»Kenny kam mit uns, um uns Otis zu zeigen«, erklärte Corchado, »und ich glaube, er hatte den Schläger schon dabei. Er war gerade vom Spielen zurückgekommen, und daher hab’ ich mir nichts dabei gedacht. Er gab ja auch Ruhe, bis wir Myers die Handschellen anlegten, dann fing er an zu heulen und so. Immer wieder schrie er: >Warum hast du das mit ihr gemacht, sie ist doch noch ein Kind. Mann, warum mußtest du das machen? Sie war doch ein Kind.<
Gerade als wir ihn zum Streifenwagen bringen, er zwischen mir und meinem Partner, damit niemand an ihn ran kann, dreht sich Otis zu Kenny um und sagt: >Scheiße, sie war kein Kind. Ihr Loch war so groß, daß ich fast reingefallen bin.<«
Ich schloß die Augen, als ich mir vorstellte, wie das den armen Kenny getroffen haben mußte, egal, was für ein Typ er war.
»Miss Cooper, es ging alles so schnell, daß ich es gar nicht kommen sah. Kenny wirbelte einfach herum und ließ den Schläger auf Otis’ Kopf krachen, und Otis ging in die Knie wie ein nasser Sack.«
»Kenny sollte man einen Orden verleihen«, murmelte Mike auf seinem Stuhl in der Ecke. »Zum Glück braucht ihr euch keine Sorgen wegen einer Hirnverletzung zu machen - scheint so, als ob Otis mit dem Fahrstuhl nie ganz nach oben gekommen wäre. Als ich mit diesem Job anfing, mein Junge, galt man als guter Cop, wenn man einen Angeklagten mit verbundenem Kopf vor Gericht brachte - wir mußten das nicht von Zivilisten erledigen lassen, wir durften selber hinlangen. Wir stellten sie vor den Richter mit bandagiertem Kopf - Turban-Jobs nannten
wir das. >Tja, Euer Ehren, er leistete bei der Verhaftung Widerstand, Sir. Hat sich heftig gewehrt.< Mann, früher konntest du auf den Straßen wenigstens einigermaßen für Gerechtigkeit sorgen, aber heute?«
Ich rollte die Augen, als Mike vor dem Grünschnabel seine Schau abzog. »Achten Sie nicht auf ihn, Corchado. Suchen Sie einfach Miss Brenner wegen der Verhaftung in diesem Vergewaltigungsfall auf. Sie wird sich bestens um Sie kümmern. Und was die Gegenklage betrifft, so geben Sie mir mal Ihre Papiere.« Ich nahm den Packen und entdeckte das Datenblatt für den Bezirksstaatsanwalt mit der Spalte für sonstige Bemerkungen zu dem Fall. Über die Beschwerde von Myers wegen der Tätlichkeit schrieb ich mit großen Buchstaben: »Strafrechtliche Verfolgung abgelehnt. Begründung: Nicht im Interesse der Justiz, gemäß Alexandra Cooper, Chief, Sex Crimes Unit.«
»Was soll ich denn seinem Anwalt sagen, Miss Cooper?« wollte Corchado noch wissen.
O Schönheit des Opportunitätsprinzips. »Sagen Sie ihm, Miss Cooper habe gesagt, er hoffe, Otis würde so heftige und so lange Kopfschmerzen haben, daß es beim nächstenmal, wenn er auch nur an eine Erektion denkt, so weh tut, daß er sich das noch mal überlegt und ihn nicht hochbekommt.«
»So ist’s recht, Blondie«, gluckste Mike, als Corchado sich verabschiedete. »Die Gelegenheit, ein paar Tage mit mir zu verbringen, ein paar kapitale neue Fälle, einen Mord
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