Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
was die Hunde aufhielt, sodass sie Atem schöpfen konnte, war ihr recht. Wenn sie einen Baum fand, der ihr Gewicht tragen konnte, würde sie vielleicht hinaufklettern und sich von oben als Scharfschützin betätigen. Nein, schlechte Idee. Dann würde sie festsitzen, wenn ihr die Munition ausging, und sie konnte nicht darauf zählen, gerettet zu werden.
Ihr Verstand raste. Die Monster waren in der Nähe; sie schnüffelten und knurrten einander etwas zu. Sie konnte auf keines von ihnen feuern, ohne die ganze Bande anzulocken. Hatte sie noch genug Kugeln für alle? Sie hatte den Überblick verloren.
Sie sah sich um und machte eine Bestandsaufnahme ihrer Umgebung. Sie konnte nicht mehr als anderthalb Kilometer von der Station entfernt sein, aber die Strecke würde nur mühsam zurückzulegen sein. Eine Umgebung voller Ziele, wie John es ausgedrückt hätte. Sie hoffte, dass es ihm gut ging. Alles würde sich gelohnt haben, wenn er nur überlebte. Jenna holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Als sie ausatmete, umwirbelte der Atem ihren Kopf wie Rauch.
Sicher waren die meisten hinter ihr her. Das war zumindest eine gute Nachricht. Sie drang durchs wintertrockene Unterholz vor. Eine Bestie lauerte jenseits davon und stürzte sich auf sie. Sie riss das Gewehr hoch, zielte und feuerte mit derselben Bewegung. Die Kugel durchschlug die Brust des Monsters und verspritzte Eingeweide. Es zuckte und lag dann still, nur ein paar Meter entfernt. Sie jagte ihm noch eine Kugel in den Kopf, nur um sicherzugehen.
Ein Heulen ertönte in der Nähe, sowohl als Ausdruck der Trauer als auch zum Informationsaustausch. Der Rest des Rudels würde sie jetzt bald finden. Ihr Herz dröhnte wie eine Trommel. Sie kämpfte nicht gern allein. Ihr Rücken fühlte sich kalt und verletzlich an. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass jemand ihn im Auge behielt.
Jenna rannte los. Sie hatte keine Zeit, sich vorsichtig voranzutasten. Bloß in Bewegung bleiben! Sie wäre direkt zur Station gelaufen, wenn sie gewusst hätte, wo genau sie lag. Hier im Wald sah alles gleich aus. Ihre Fußabdrücke und ihr Geruch hinterließen eine Fährte, aber darum konnte sie sich keine Gedanken machen. Sie fror, und der bleigraue Morgenhimmel drohte mit noch mehr Schnee. Schwarze Zweige peitschten auf sie ein, während sie floh, zerrten an ihrer Jacke, ihren Haaren, ihrer Haut.
Zwei Dämonenhunde brachen aus den Bäumen hinter ihr hervor. Sie hörte sie und roch sie, den kräftigen Gestank von verwesendem Fleisch und stahlhartem Hunger. Sie wirbelte herum. Sie nahmen sie in die Mitte – schlaues Manöver. Sie konnte das Gewehr nicht schnell genug schwingen, um sie beide zu treffen. Jenna schoss auf den rechts von ihr. Er jaulte und stürzte tot hin, während sein Partner sie von links ansprang. Zähne drangen ihr in den Oberarm und wollten sie zu Boden zerren. Wenn sie das zuließ, würde der Hund sich über ihre Eingeweide hermachen.
Heute nicht. Nicht ich. Ich bin kein Futter.
Der Biss brannte höllisch, als ob Säure aus den Reißzähnen sickerte. Jenna warf das Gewehr in ihre linke Hand und schlug es der Bestie mit aller Kraft auf den Schädel. Keine Angst mehr, nur Zorn. Der Schlag betäubte den Hund so lange, dass Jenna feuern konnte. Noch mehr Blut im Schnee. Sie glaubte nicht, dass sie das noch einmal tun konnte. Ihr rechter Arm fühlte sich schwach an. Irgendetwas unter der Haut war gerissen.
Das Gewehr entglitt ihren Fingern. Zu schwer. Hält mich nur auf.
Noch mehr Geheul in der Ferne. Sie würden sie bald finden. Sie brauchte Hilfe. Sie brauchte John.
Nein, reiß dich zusammen. Sie rang ihre Panik nieder und arbeitete schnell, riss sich einen Streifen vom Hemd ab und schlang ihn sich um den Arm – kein Druckverband, aber er würde die Blutung verlangsamen. Sie suchte den Himmel ab, bevor sie sich für eine Richtung entschied, aber sie konnte sich nicht mehr schnell bewegen. Sie war so müde.
»Du musst dich verwandeln«, sagte sie laut.
Aber es geschah nicht, ganz gleich, wie sehr sie es wollte. Nichts. Sie konnte sich nicht durch Gedanken dazu bringen, zur Wölfin zu werden, nicht so, wie sie gehofft hatte.
Langsam steigerte sie ihr Tempo. Sie glaubte, dass sie auf dem Nachhauseweg war. Sie rannte geradeaus, stolperte über einen halb vom Schnee verborgenen Felsen und prallte mit dem Gesicht voran auf einen umgestürzten Baum. Ihre Wange brannte, wo die Rinde ihr die Haut aufgeschürft hatte. Schmerz schoss ihr ins Gehirn. Vielleicht hatte sie sich die
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