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Die letzte Delikatesse

Die letzte Delikatesse

Titel: Die letzte Delikatesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Barbery
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gebräunten Füßen das dürre, dichte Gras des Gartens nieder und berauschte mich an den Wohlgerüchen.
    Als erstes am Duft der Geranienblätter, die ich, zwischen den Tomaten und den grünen Erbsen auf dem Bauch liegend, ganz außer mir vor Lust zwischen den Fingern zerrieb: Ein Blatt mit einer leichten Säure, in seiner essigartigen Frechheit hinreichend scharf, jedoch nicht genug, um nicht gleichzeitig an zartbittere kandierte Zitronen zu erinnern, mit einem Hauch vom bitteren Geschmack der Blätter der Tomatenstaude, von dem es zugleich die Unverschämtheit und das fruchtige Aroma bewahrt; das strömen die Geranienblätter aus, daran berauschte ich mich, den Bauch auf der Erde des Küchengartens und den Kopf in den Blumen, in die ich gierig wie ein Ausgehungerter meine Nase steckte. Oh wunderbare Erinnerungen an eine Zeit, als ich der Herrscher eines Reiches ohne Raffinessen war … In Bataillonen, wie rote, weiße, gelbe oder rosa Legionen, die jedes Jahr Zuwachs von neuen Rekruten erhielten, bis sie in geschlossenen Reihen eine ganze Armee bildeten, erhoben sich in den vier Ecken des Hofes stolz die Nelken, und durch ein ungeklärtes Wunder knickten sie unter dem Gewicht ihres zu langen Stengels nicht ein, sondern überragten ihn prahlerisch mit jener wunderlichen, ziselierten Blumenkrone, die in ihrer gedrängten und verdrießlichen Gestalt unpassend wirkte und ringsum einen Puderduft verströmte, wie ihn die Schönen verbreiten, wenn sie am Abend zum Ball gehen …
    Vor allem war da die Linde. Riesig und unersättlich, drohte sie das Haus von Jahr zu Jahr mit ihrem weitverzweigten Astwerk zu verschlingen, das meine Tante partout nicht stutzen lassen wollte – man brauchte das Thema gar nicht erst anzuschneiden. Während der heißesten Stunden des Sommers wurde ihr aufdringliches Blätterdach zur wohlriechendsten aller Lauben. Ich setzte mich auf die wurmstichige kleine Holzbank, lehnte mich an den Stamm und sog in gierigen Zügen den Duft von reinem, samtenem Honig ein, der ihren blaßgoldenen Blüten entströmte. Eine Linde, die den Abend mit ihrem Duft durchtränkt, bedeutet ein Entzücken, das sich uns unauslöschlich einprägt, und erfüllt uns mit einer Lebenslust, mit einem Glücksgefühl, welche die Süße eines Juliabends allein nicht zu erklären vermag. Während ich in meiner Erinnerung in vollen Zügen einen Geruch einatme, den meine Nase schon lange nicht mehr gewittert hat, begreife ich schließlich, was seine Duftnote ausmachte; das Zusammenspiel von Honig und jenem so besonderen Geruch, den die Blätter an den Bäumen haben, wenn es lange heiß war und ihnen der Staub der schönen Tage anhaftet, das ist es, was dieses absurde, aber wundervolle Gefühl hervorruft, wir tränken ein Konzentrat des Sommers aus der Luft. Ach, die schönen Tage! Der Körper, von den Fesseln des Winters befreit, spürt endlich die Liebkosung der Brise auf der nackten Haut, die sich der Welt darbietet und ihr im Rausch einer wiedergefundenen Freiheit alle Poren öffnet. In der unbewegten, vom Summen unsichtbarer Insekten erfüllten Luft ist die Zeit stillgestanden … Die Pappeln entlang der Treidelpfade singen im Wind eine Melodie aus sanftem, belaubtem Rauschen, zwischen Licht und schillerndem Schatten … Eine Kathedrale, ja, eine Kathedrale aus grünem, mit Sonnensprenkeln durchsetztem Blattwerk umgibt mich mit ihrer unmittelbaren und klaren Schönheit … Nicht einmal der Jasmin in den Straßen von Rabat, bei Einbruch der Nacht, hat in meiner Erinnerung so starke Bilder auszulösen vermocht. Ich folge der Spur eines Geschmacks, der mit der Linde verbunden ist … träge sich wiegende Äste, das verschwommene Bild einer Honig sammelnden Biene … Ich erinnere mich …
     
    Sie hatte sie gepflückt, sie unter all den anderen, ohne einen Moment zu zögern. Ich habe inzwischen gelernt, daß Vortrefflichkeit genau darin, in dieser scheinbaren Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, besteht, wo wir doch wissen, daß dafür Jahrhunderte an Erfahrung, ein eiserner Wille und eine mönchische Disziplin notwendig sind. Woher hatte sie ihre Wissenschaft, Tante Marthe, eine Wissenschaft, die sich aus Hydrometrie, Sonnenbestrahlung, biologischem Reifungsprozeß, Photosynthese, geodätischer Ausrichtung und so manchen anderen Faktoren zusammensetzte, die ich in meiner Unwissenheit nicht einmal aufzuzählen wage? Denn was der gewöhnliche Sterbliche aufgrund von Erfahrung und Überlegung weiß, wußte sie aufgrund ihres

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