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Die letzte Delikatesse

Die letzte Delikatesse

Titel: Die letzte Delikatesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Barbery
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besaßen ein bißchen etwas, denke ich mir, aber wirklich nicht sehr viel. Gerade genug, um dreimal die Woche eine Putzfrau zu nehmen. Das Geld kam nachher, viel Geld, ich habe schon gesehen, daß es sehr schnell ging und daß sie damit rechneten, es werde immer mehr geben, denn sie sind in diese große Wohnung umgezogen, die gleiche wie heute, und Madame hat eine ganze Menge Arbeiten in Angriff genommen, sie war sehr fröhlich, sie war glücklich, das sah man ihr an, und sie war so hübsch! Und als Monsieur sich dann eine komfortable Stellung geschaffen hatte, haben sie andere Dienstboten eingestellt, und mich hat Madame als »Gouvernante« behalten, besser bezahlt, ganztägig, um die anderen zu »überwachen«: die Putzfrau, den Butler, den Gärtner (wir haben zwar nur eine große Terrasse, aber der Gärtner findet immer etwas zu tun, er ist nämlich mein Mann, da gibt es natürlich immer eine Beschäftigung für ihn). Aber daß mir nur niemand auf die Idee kommt, das sei keine Arbeit! Ich renne den ganzen Tag herum, ich muß Aufstellungen und Listen machen, muß Befehle erteilen, und ohne mich wichtig machen zu wollen: Wenn ich nicht wäre, würde in diesem Haus offen gesagt gar nichts klappen.
    Ich mag Monsieur. Ich weiß, er hat Fehler, und nur schon den, diese arme Madame so unglücklich gemacht zu haben, nicht erst heute, sondern von Anfang an, wie er immer fortging, wie er heimkam, ohne zu fragen, wie es ihr gehe, sie anschaute, als ob sie durchsichtig wäre, und ihr Geschenke machte, wie man ein Trinkgeld gibt. Ganz zu schweigen von den Kindern. Ich frage mich, ob Laura wohl kommt. Früher, da habe ich geglaubt, daß sich alles einrenken würde, wenn er einmal alt wäre, daß er schließlich milder gestimmt würde, und dann die Enkelkinder, die versöhnen ja auch Eltern und Kinder, denen kann man nicht widerstehen. Sicher, Laura hat keine Kinder. Aber kommen könnte sie trotzdem …
    Ich mag Monsieur aus zwei Gründen. Erstens, weil er immer höflich und nett zu mir war, und auch zu Bernard, meinem Mann. Höflicher und netter als zu seiner Frau und seinen Kindern. Er ist nun einmal so, er macht ein Getue, um zu sagen: »Guten Tag, Violette, wie geht es Ihnen heute morgen? Geht es Ihrem Sohn besser?«, während er seine Frau seit zwanzig Jahren nicht mehr grüßt. Das Schlimmste ist, daß er aufrichtig zu sein scheint mit seiner freundlichen, dröhnenden Baßstimme, er ist nicht überheblich, nein, kein bißchen, er ist immer ausgesucht höflich zu uns. Und er schaut mich an, er paßt auf, wenn ich ihm etwas sage, er lächelt, weil ich immer guter Laune bin, immer mit etwas beschäftigt, mich nie ausruhe, und ich weiß, daß er mir zuhört, wenn ich antworte, weil auch er mir antwortet, wenn ich ihm meinerseits die Frage stelle: »Und Sie, Monsieur, wie geht es Ihnen heute morgen?« – »Gut, gut, Violette, aber ich bin arg im Rückstand mit meiner Arbeit, sie erledigt sich leider nicht von alleine, ich muß gehen«, und er zwinkert mir zu, bevor er im Flur verschwindet. Mit seiner Frau würde er das nicht machen. Er mag Leute wie uns, Monsieur, er hat eine Vorliebe für uns, das spürt man. Ich glaube, er fühlt sich wohler mit uns als mit all den Leuten aus der feinen Gesellschaft, mit denen er verkehrt: Man sieht zwar, daß es ihn freut, ihnen zu gefallen, ihnen zu imponieren, sie mit Wörtern zu füttern, ihnen zuzuschauen, wie sie ihm zuhören, aber er liebt sie nicht; es ist nicht seine Welt.
    Der zweite Grund, warum ich Monsieur mag, ist … es ist ein bißchen schwierig zu sagen … nun … weil er im Bett furzt! Das erste Mal, als ich es gehört habe, begriff ich nicht, was ich gehört hatte, sozusagen … Und dann hat es sich wiederholt, es war morgens um sieben, es kam aus dem Korridor des kleinen Salons, wo Monsieur manchmal schlief, wenn er am Abend spät heimkam, eine Art Knall, päng, aber wirklich sehr laut, ich hatte noch nie so etwas gehört! Und dann begriff ich und prustete los, aber wie! Ich bog mich, ich hatte Bauchweh vor Lachen, ich war immerhin geistesgegenwärtig genug, in die Küche zu laufen, dort setzte ich mich auf die Bank, ich dachte, ich würde nie mehr zu Atem kommen! Seit diesem Tag war mir Monsieur sympathisch, ja, sympathisch, weil auch mein Mann im Bett furzt (wenn auch nicht gar so laut). Ein Mann, der im Bett furzt, hat meine Großmutter immer gesagt, ist ein Mann, der das Leben liebt. Und dann, ich weiß nicht: Es hat ihn mir nähergebracht …
    Ich weiß genau, was

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