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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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erleidet. Daher sah ich es als meine Pflicht an, rechtzeitig einzuschreiten. Jahrelang musste ich mit meinem schlechten Gewissen angesichts der leidigen Affäre leben. Ich durfte nicht zulassen, dass sich so etwas wiederholte.«
    Ein Klopfen an der Tür hinderte Hayden an einer Antwort. Auf sein Rufen hin öffnete der Wachposten die Tür.
    »Verzeihung, Kapitän. Mr Ariss braucht dringend Dr. Griffiths’ Hilfe. Einer der Männer, der krank war – scheint den Verstand verloren zu haben, Sir. Er schreit irgendetwas von Spinnen.«
    Hayden glaubte tatsächlich, Schreie aus den unteren Decks zu hören.
    Griffiths entschuldigte sich und eilte hinaus.
    Der Leutnant der Seesoldaten fixierte Hayden mit einem schwer zu deutenden Blick.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Ihre eigene Meinung zu diesem Vorfall haben, Leutnant?«
    Hawthorne zögerte die Antwort etwas hinaus, nahm einen Schluck Kaffee und sagte dann: »Ich glaube, Kapitän, dass es da zwei romantische – Mythen gibt, wenn ich einmal so sagen darf. Einer dieser Mythen scheint eher auf Frauen zuzutreffen, der andere auf Männer, aber sie schließen sich nicht gegenseitig aus. Der romantische Mythos, den man häufig bei den Damen antrifft, liegt in dem Glauben an die veränderliche Macht der Liebe begründet. In den letzten Jahren habe ich Frauen kennengelernt, die sich Männern mit Körper und Seele hingaben, obwohl es ersichtlich war, dass diese Männer sie nicht glücklich machen würden, entweder ihres Charakters wegen oder weil die Hoffnungen und Wünsche für ein gemeinsames Leben zu weit auseinander lagen. Diese Frauen waren davon überzeugt – zu ihrem immerwährenden Leidwesen –, die Männer würden sich so sehr in sie verlieben, dass sie sich veränderten, um die Zuneigung einer solch perfekten Frau zu erhalten.«
    Hawthorne schenkte sich etwas Kaffee nach.
    »Ich habe auch schon Frauen gesehen, die Männer zurückwiesen, die sich gewiss als verdienstvoll und verträglich erwiesen hätten, nur um dann einen Mann zu ehelichen, der alles andere als akzeptabel war.«
    Hawthorne schaute einen Augenblick lang aus dem Fenster.
    »Der männliche romantische Mythos«, fuhr er fort, »besteht in dem Wunsch, eine Frau aus größter Not zu erretten, und auch dies birgt Gefahren. Eine junge Frau aus einer misslichen Lage zu retten scheint nobel zu sein, aber allzu oft hat sich Dankbarkeit als schlechtes Fundament für das Gebäude einer Ehe erwiesen – dann sollte man doch lieber auf die Vereinbarkeit der Gemüter oder ein großes Vermögen achten. Dankbarkeit, zumindest nach meinem Dafürhalten, treibt eine kurze Blüte und verwelkt schlussendlich in Groll und Ablehnung. Hoffen wir, dass unser Freund nicht eine weitere Enttäuschung erlebt, denn was sein Gemüt in diesen Dingen betrifft, so wird er es nicht verwinden.«
    Die Schiffsglocke ertönte in diesem Moment, und Hawthorne erhob sich.
    »Wenn Sie mich entschuldigen würden, Kapitän, ich muss meinen Pflichten nachkommen.«
    »Aber natürlich.«
    Hayden saß nun allein da und dachte sowohl über Griffiths’ Handeln als auch über die Beobachtungen des Leutnants nach, der in Angelegenheiten des Herzens sehr erfahren war. Zudem zeigte Hawthorne mehr Umsicht, als Hayden gedacht hatte. Gewiss, auch Hayden war der Ansicht, dass der Doktor in solchen Angelegenheiten ein weiches und zerbrechliches Herz hatte, doch warum er das glaubte, vermochte Hayden auch nicht zu sagen. Dennoch, wenn die Geschichte der Frau nicht erlogen war, konnte man Griffiths’ Tat nur als ehrenhaft und großzügig bezeichnen, und Hayden wusste Griffiths’ Empfindungen zu schätzen. Gleichwohl ...
    Hayden starrte auf die kalte, schlammfarbene Flüssigkeit in der Tasse des Schiffsarztes und spürte mit einem Mal, dass dieser Anblick ihn plötzlich in einer Weise beunruhigte, die er sich nicht erklären konnte.

K APITEL ZWÖLF
    In der Abenddämmerung des späten Dezembers brachte der östliche Wind ein Geschwader von betrübten Seemöwen mit, deren Klagerufe und Murren wehmütig über das Wasser schallten.
    »Verdammter Levantiner«, schimpfte Mr Barthe über den Südostwind. Er ließ sein Nachtglas sinken, blickte aber weiterhin in die Dunkelheit hinaus. »Können Sie etwas ausmachen, Mr Wickham?«
    Der junge Lord Arthur, der mit einem Nachtglas am Auge an der Reling auf dem Vordeck lehnte, antwortete leise, als näherten sie sich dem Hafen von Toulon heimlich. »Keine Schiffe in der Straße, Mr Barthe.«
    »Was haben Sie

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