Die letzte Eskorte: Roman
an der Heckreling und schaute hinab in den Kielschaum der Themis , der sich wie ein gekräuselter Pfad in der Dunkelheit verlor. Ein feiner Strahl des Mondlichts brach durch die Wolkenfetzen und ergoss sich über das dahinjagende Schiff.
Hayden trat ebenfalls an die Reling, nur wenige Schritte von Gould entfernt. »Wie mir scheint, Mr Gould«, begann er, »sind Sie mehr an dem Ort interessiert, an dem wir waren, als an unserem neuen Ziel.«
Der Midshipman schaute auf, ein wenig überrascht von Haydens plötzlichem Auftauchen. »Ich musste nur an all die Dinge denken, die sich seit meiner Ankunft an Bord ereignet haben, Sir.«
»Und wie stehen Sie zu all diesen Ereignissen?«
»Ich weiß nicht, ob ich das jetzt schon sagen kann, Kapitän.« Gould verstummte, und Hayden glaubte, dass er aus dem jungen Mann nicht viel mehr herausbekommen würde. »Ich habe als Kind viel Zeit am Plymouth Sound verbracht, Sir, und obwohl sich die Bucht eigentlich jeden Tag veränderte, so blieb er doch immer gleich, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber sowie ich einen Fuß auf die Themis setzte, erlebte ich Stürme und Schiffe, die im Gefecht untergingen. Kämpfe, Seuchen, Krieg an Land, große Hafenstädte, die erobert wurden, um dann wieder in die Hände des Feindes zu fallen. All das habe ich gesehen, Sir. Ich musste um mein Leben kämpfen und habe andere Menschen getötet.«
Wieder schwieg er auf unbestimmte Zeit. Hayden gewährte sie ihm.
»Mir ist, als hätte ich mein ganzes Leben bisher in einem Raum mit einem großen Vorhang verbracht, und eines Tages stieß man mich durch den Spalt des Vorhangs hinaus in das grelle, blendende Sonnenlicht. Mein ganzes Leben träumte ich von Abenteuern, und jetzt kommt mir meine Kindheit wie eine perfekte Idylle vor.« Er dachte nach, ehe er fortfuhr: »Aber wie geht man nun zurück durch den Vorhang in den abgedunkelten Raum?«
»Nun, einigen Menschen gelingt es.«
»Daran habe ich keine Zweifel, Sir, aber ich bin nicht sicher, ob ich zu diesen Menschen gehöre. Ich habe das Gefühl, dass all meine Empfindungen gleichsam verdorrt sind, Kapitän Hayden. Es ist nicht so, dass ich mich nicht nach England sehnte, Sir, nach meinen Eltern und meinen Geschwistern. Ich möchte sie alle von Herzen wiedersehen. Aber jetzt, da ich den Krieg aus nächster Nähe erlebt habe und mir bewusst geworden ist, dass ich in der Lage bin, meine Rolle darin zu spielen – nun, ich müsste mich wie ein Drückeberger fühlen, wenn ich jetzt alles aufgeben würde. Denn schließlich ruft die Pflicht, und ich kann wohl kaum all meine Kameraden auffordern, diesen Krieg weiter für mich zu führen, während ich friedlich daheim in meinem kleinen Zimmer sitze.«
»Ihnen ist bewusst, Mr Gould, dass Sie wieder aufgefordert werden, einen anderen Menschen zu töten?«
Selbst in dem schwachen Mondlicht konnte er erkennen, dass sich die Miene des jungen Mannes veränderte.
»Ja, das ist mir bewusst, Sir, und ich glaube, dass ich diesbezüglich nie Frieden mit mir selbst schließen kann.« Fast entschuldigend zuckte er mit den Schultern. »Das ist eben die Natur des Krieges, und ich werde meine Rolle spielen müssen, obwohl ich es aus tiefster Seele verabscheue, andere Menschen zu töten.«
»Wie ich auch, Mr Gould. Dennoch, ich versuche, nicht zu zögern, denn dieser eine Moment der Unschlüssigkeit könnte einen Mann aus meiner Besatzung das Leben kosten. Ich kann besser mit dem Tod eines Fremden leben, der mich umbringen will, als mit dem Verlust einer meiner Leute.«
»Da stimme ich Ihnen zu, Sir.«
»Dann werden Sie also weiterhin Ihren Dienst tun?«
»Ja, Sir.«
Hayden war verblüfft, aber auch sehr froh. »Das höre ich gern, Mr Gould.«
Einen Moment lang beobachteten sie das Kielwasser, das als schaumiger Streifen in die Dunkelheit wies.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Kapitän Hayden?«
»Ja, sicher.«
»Glauben Sie, ich könnte eines Tages ein passabler Offizier werden?«
»Mehr als nur passabel, Mr Gould. Ich denke, Sie werden ein ausgezeichneter Offizier sein, wenn Sie sich weiterhin so engagieren, wie Sie es während der letzten Wochen getan haben.«
»Das ist mein erklärtes Ziel, Sir. Ich möchte mein Leutnantsexamen genau an dem Tag ablegen, wenn ich neunzehn Jahre alt werde.«
»Ich bin davon überzeugt, dass Sie es mit Bravour bestehen, Mr Gould.«
Als Hayden ein Räuspern hinter sich vernahm, drehte er sich um. Freddy Madison stand keine zwei Yards von ihm entfernt.
»Bitte um
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