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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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brauchte noch einen zweiten Plan.
    Eine Managerregel im ständigen Powerplay um die besten Jobs lautete: Wenn du deinen Konkurrenten nicht schlagen kannst, mache ihn dir zum Freund.
    Er würde versuchen, sich Henry zum Freund zu machen, so gut das eben ging. Zumindest freundlich sein. Aber er würde alles tun, um möglichst viele Details über Henry zu erfahren. Jede Kleinigkeit musste er sich merken; alles innerlich notieren, was helfen konnte, Henry zu verhaften.
    Wenn er erst mal hier draußen war.
    Wir verkaufen Hoffnung.
    Das war die Wende in der Geschichte von Peterson & Peterson gewesen.
    Er würde es Henry erläutern, wenn er so scharf darauf war, das zu erfahren. Auch die Sache mit den gesponserten Ärztecomputern würde er erzählen. Alles keine besonders großen Geheimnisse.
    Er würde kooperieren.
    Er musste hier raus.

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24. Verfolgung
    Hinter Dengler brach die Hölle los.
    Mit einem wuchtigen, schnarrenden Geräusch fuhr das SEK auf, ein scharfer, im Kommandoton gebellter Befehl: »Zugriff!«, das Poltern der Polizeistiefel, die erstickten Protestschreie der Justizbeamten, die Voss hinterherliefen und von den Polizisten zur Seite gestoßen wurden. Zwei von ihnen fielen, die Polizisten sprangen über sie hinweg. Dengler wurde zur Seite geschleudert und sah, wie auch Dr. Lehmann zu Boden ging. Dengler schlug mit dem Knie gegen eine der Holzleisten, die überall zum Schutz der Wände angeschraubt waren. Einer der Polizisten stolperte über ihn, stürzte, versperrte zweien seiner Kameraden kurz den Weg, rappelte sich auf und stürmte ihnen nach.
    Wertvolle Sekunden, die Voss einen Vorsprung verschafften.
    Er rannte den Flur entlang.
    Im Kommandoton: »Stehen bleiben – oder ich schieße!«
    »Diese Idioten«, schrie ein Justizbeamter. »Nicht schießen!«
    Voss riss die Flügeltür zum Treppenhaus auf und verschwand.

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25. Vierter Tag (1)
    Am vierten Tag erledigten sie die üblichen Verrichtungen schweigend und fast schon routiniert: das Entfesseln, das Duschen, den Kleiderwechsel und das Frühstück.
    Henry sprach kein Wort.
    Er ist sauer, dachte Assmuss.
    Er räusperte sich, als sein Entführer die beiden leeren Espressotassen vom Tisch räumte und hinüber zur Spüle trug.
    Henry sah auf und setzte sich an den Tisch.
    »Das mit den Computern war so«, sagte Assmuss. »Es war eine ausgezeichnete Marketingidee. Wir bezahlten den Verordnern, einigen zumindest, also denen, die das wollten, die Computer, die Drucker und so weiter. Wir lieferten auch die Software. Software vom Feinsten. Mit Patientenstammblatt, Privat- und Kassenpatientenabrechnung, mit allem Pipapo.«
    »Mit Verordner meinen Sie vermutlich Ärzte.«
    »Ja. Verordner.«
    »Nennen Sie sie Ärzte. An ›Verordner‹ kann ich mich nicht gewöhnen.«
    »Wie Sie wollen, Henry. Nun, wie soll ich es sagen, der Clou war nun der: Immer wenn der Verordner ein Rezept ausstellte, für das es auch ein Präparat von Peterson & Peterson gab, schlug die Software unser Medikament vor, selbst wenn der Verordner, ich meine, der Arzt, beispielsweise etwas von Novartis verschreiben wollte. Er konnte unser Produkt wegklicken, aber dann kamen so Bestätigungsfragen wie ›Wollen Sie wirklich das Medikament wechseln?‹ oder ›Sie ändern das Präparat. Wollen Sie das?‹, sodass der Verordner nervös wurde. Etliche Fragen dieser Art. Die Doktoren wurden verunsichert – vor allem verloren sie dadurch Zeit. Manchmal führte die Software dann auch zu einem Systemabsturz. Es war jedenfalls für den gesamten Ablauf besser und schneller, unser Medikament zu verordnen.«
    »Sie haben damit die Kosten wieder reingekriegt?«
    Assmuss lachte ein trockenes, bellendes Lachen: »Reingekriegt ist gut! Wir haben sehr viel Geld damit verdient. Leider kopierten einige Mitbewerber unsere Idee. Bei Ratiopharm ist es dann durch einen übereifrigen Journalisten aufgeflogen.«
    »Sie verstehen Ihr Geschäft, wie?«
    »Das hoffe ich doch. In meinem Beruf bin ich ein Künstler.«

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26. Verloren
    Dengler rappelte sich auf. Sein Knie schmerzte. Er stützte sich an der Wand auf. Er humpelte zu Dr. Lehmann, der immer noch auf dem Boden lag, und zog ihn mit einer Hand hoch. Der Anwalt klopfte sich mit einer Hand Staub von der Anzughose. Einer der Justizbeamten griff nach einem Funktelefon. Der SEK – Führer schrie in das Headset: »Habt ihr Fühlung? Seht ihr ihn?«
    »Wenn sie Bernhard kriegen, wird der Fluchtversuch uns die Verteidigung nicht gerade

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