Die letzte Flucht
erleichtern.«
Professor Schulz trat zu ihnen: »So etwas habe ich noch nicht erlebt.« Er schüttelte den Kopf.
»Professor Voss muss behandelt werden. Ich hoffe, die Polizisten behandeln ihn wie einen Kranken.«
Dengler ging den Flur entlang. Keiner achtete auf ihn. Er öffnete die Flügeltür und trat ins Treppenhaus. Sein Knie schmerzte. Unten hörte er immer noch Getrampel und Rufe der SEK – Polizisten. Er sah über das Geländer. Es war ein schönes Treppenhaus, weiß getüncht. Das Geländer aus feuerverzinktem Metall, mit schön gearbeiteten Blumenmustern und einem Handlauf aus dunkel lackiertem Holz.Unten vor dem Eingang zum Erdgeschoss standen zwei SEK ler und bewachten den Zugang; die anderen waren wohl nach außen gestürmt.
Dengler blickte nach oben. Auf den Balustraden über ihm standen Patienten, Schwestern und Pfleger und starrten hinunter, sie redeten leise. Waren die Polizisten auch nach oben gelaufen? Wahrscheinlich nicht, dachte er, sonst hätten sie die Zuschauer zurückgetrieben und Wachen vor den Zugängen aufgestellt. Also ging er nach oben.
***
Bernhard Voss überlegte nur einen kurzen Augenblick, nachdem er durch die Flügeltür auf den Gang gerannt war. Dann lief er die Stufen hinauf in den zweiten Stock. Unter sich hörte er die lärmenden Stiefel des SEK – Kommandos, das die Treppe hinunterstürmte. Die ersten Neugierigen, Patienten und Pflegepersonal, drängten sich durch die Korridortür ins Treppenhaus. Er drückte sich an ihnen vorbei in den Flur. Er kannte sich in der Charité aus. Und er hatte hier noch etwas zu erledigen.
***
»Seht ihr den Scheißkerl?«, brüllte Müller ins Mikrofon seines Headsets.
»Negativ. Wir sind unten auf der Straße vor dem Gebäude. Ein Trupp schwärmt nach links, wir suchen rechts.«
Währenddessen telefonierte Schranz: »Der Häftling ist entflohen. Er muss sich noch auf dem Gelände der Charité befinden. Ja. Das SEK sucht ihn. Nein, sie waren keine große Hilfe. Ohne diese Chaoten hätten wir ihn noch. Informieren Sie das Polizeipräsidium? Gut. Wir kommen zurück.«
***
Der Anruf erreichte Finn Kommareck eine Minute später.
Es war der Polizeipräsident persönlich.
»Kommareck? Der Voss ist getürmt. Er befindet sich im Augenblick noch auf dem Gelände der Charité. Es ist Ihr Fall. Sie übernehmen.«
» OK .«
»Noch eins, Kommareck …«
»Ja?«
»Bringen Sie mir diesen Kerl wieder. Es war ein SEK – Kommando dabei! Ich lese morgen lieber keine Zeitung. Und noch eins, Kommareck.«
»Ja?«
»Sie haben alle Ressourcen. Bringen Sie den Kerl wieder bei. Am besten innerhalb der nächsten Stunde.«
»Mach ich.«
Kommareck legte auf und wählte sofort wieder.
»Kommareck. Kennwort Alabaster. Die ganze Kavallerie zu der Charité. Streifenwagen und Fußpatrouillen. Niemand darf dort rein oder raus. Verstanden?«
»Verstanden.«
Kommareck schrie laut und schrill: »Schöttle!«
Erschrocken rannte ihr Assistent in den Raum.
»Voss ist geflohen. Er ist noch in der Charité. Wir brauchen ein kleines Leitungsteam. Du, Dahlheimer, die Marksteiner und ich. Mach einen Leitwagen fertig. Hubschrauber in Alarmbereitschaft. Los, mach hin! Wir fahren zur Charité.«
»Bin schon weg.«
»Haben wir schon eine Meldung von dem SEK – Leiter?«
»Ich weiß von nichts.«
»Schalt eine Leitung zum SEK . In der Haut von dem Müller möchte ich jetzt nicht stecken.«
***
»Haben Sie Professor Voss gesehen?«, fragte Dengler einen der Pfleger, die dort standen.
»Voss? Sagt mir jetzt nichts.«
»Ein Mann um die fünfzig. Beige Cordhose. Braunes Jackett. Auch Cord.«
»Nicht gesehen.«
»Sie? Haben Sie einen Mann gesehen – um die fünfzig, dunkle Brille, braunes Cordjackett?«
»Nö. Muss man den kennen?«
»Ich habe niemanden gesehen.«
»Nein. Mein Dienst hat gerade erst angefangen.«
»Hier kam so jemand nicht vorbei.«
»Doch, ja, der ist hinten am Aufzug gestanden.«
»Wann?«
»Wann? Gerade eben. Ich hab den Lärm gehört und bin aus meinem Zimmer gelaufen. Ich habe nämlich …«
»Wo ist der Aufzug?«
»Na dort. Dort drüben!«
Wenn das Knie nicht so höllisch geschmerzt hätte, Dengler wäre gerannt. So humpelte er, so schnell er konnte, den Flur entlang. Endlich war er am Aufzug. Daneben stand die Tür zum Treppenaufgang offen.
Sechs Etagen gab es, verriet das Aufzugschild. K1 – der Keller, 1. Stock: Endoskopie, Lungenfunktion, Ausgang, 2. Stock: Ultraschall, Röntgen, MRT , Station 147, 3. Stock:
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