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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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glühendheiß wieder freizugeben. Nach einer Stunde, als Dengler die Abläufe begriffen hatte, arbeiteten Tevfik und er an je einer Maschine. Einräumen, Maschine starten, Geschirr vorspülen, dann Geschirr ausräumen, stapeln, vorgereinigtes Geschirr einräumen, Maschine starten, vorherige Ladung mit Handtuch nachtrocknen, falls nötig, Geschirr wegräumen, erneut vorspülen, dann öffnete die Maschine bereits ihren Schlund – und es ging weiter: ausräumen, neu laden, starten, wegräumen, vorspülen, ausräumen, neu laden, starten, wegräumen, vorspülen, ausräumen. Dengler passte sich vollständig dem Rhythmus der Maschine an.
    »Aber wie soll ich es schaffen, zwei Maschinen zu bedienen?«
    »Übung. Morgen geht das schon. Du wirst sehen.«
    Als das Geschirr der Frühschicht gesäubert war, gab es eine kleine Pause.
    »Wir schälen Zwiebeln.«
    »Zwiebeln?«
    Tevfik schüttete einen Sack Schalotten in ein Wasserbecken.
    »Jetzt müssen wir nicht weinen.«
    Dengler war sich da nicht so sicher.
    Er schielte hinüber zur Küche.
    Die ersten Essen wurden bestellt.
    Kommandos in der Küche: Drei Pasteten in sechs Minuten, drei Pasta in zwei, ein Hummer in sechs, eine Scholle in sechs, sechs Spinatsuppen und einmal Vegetarisch in zwölf Minuten.
    Frank Oehler stand wie ein Feldherr hinter einem Tresen und kommandierte die eingehenden Orders.
    Zwei Schollen, ein Brioche, ein Hummer, alle in sieben, wo sind die Kichererbsen?
    Ein Rind, ein Schwein in sieben Minuten.
    Wie von Geisterhand fügte sich alles. Die Teller standen auf dem Pass, dem Übergang zwischen Küche und Service, wurden von unten und oben gewärmt. Eine Köchin füllte mit einer Kochpinzette Pasta auf die Teller, ein anderer Koch stand bereit mit warmen Nüssen.
    Nüsse aus dem Piemont, mehr Nuss geht nicht, rief Oehler.
    Der nächste Koch brachte die Pilze, ein anderer die Soße.
    Jetzt musste es schnell gehen.
    Die Speisen durften nicht kalt werden.
    Die Soßen durften nicht stocken.
    Die Schäume durften nicht zusammenfallen.
    Und trotzdem: Jeder Teller wurde von Frank Oehler kontrolliert.
    Der Herr auf sechs ist gerade rauchen.
    Drei Pasta in sechs statt in drei Minuten.
    ***
    Am nächsten Abend war Tevfik nicht mehr da. Dengler füllte, entlud, reinigte vor, räumte weg, verbrannte sich Finger und spürte es kaum noch.
    Er hörte die Kommandos in der Küche.
    2 Schollen, 1 Brioche, 1 Hummer, 2 Schwein in sieben.
    1 Vegetarisch, 1 Huhn, 1 Rind in acht.
    Wo sind die Artischockenchips?
    3 Spinat in sechs.
    Dengler sah die Woge aus Tellern, Gabeln, Löffeln, Messern und Tassen, die die Küche verließ. Alles würde zurückkommen.
    Zu ihm.
    Für ihn würde die Woge ein Tsunami sein.
    Jeder Gast verbrauchte pro Abend sieben Teller. Vierzehn Gabeln, Löffel, Messer. Sieben Gläser.
    Der Tsunami vor Denglers Maschinen bestand aus 450 Tellern, 800 Messern, Gabeln, Löffeln. Zweihundert Pfannen, Töpfe, Tiegel. Alles säuberte er. Kein Teller durfte eine Schliere haben. In keiner Pfanne durfte ein Rest Spülwasser zurückbleiben.
    Der Spüler sieht die ehrliche Seite der Küche.
    Nach einer Woche fühlte Dengler sich als Sklave der beiden Maschinen. Er befriedigte ihren ungeheuren Hunger nach schmutzigem Geschirr.
    6 Spinatsuppen in acht.
    1 Rind, 2 Schwein in sieben.
    24 Schollen in acht.
    3 Pasta in sieben.
    Alles würde zu ihm zurückkommen.
    »Du machst das o.   k. Wenn der Spüler nicht funktioniert, klappt alles nicht. Ein schlechter Spüler kann den ganzen Laden zum Stillstand bringen. Wenn der Spüler ausfällt, ertrinken die Köche«, sagte Frank Oehler nach vierzehn Tagen zu ihm und gab ihm seinen Lohn.
    Dengler glaubte nicht daran, dass irgendein Tellerwäscher jemals Millionär geworden war.
    2 Schollen in 7, 1 Hummer in 8.
    18 Köche arbeiteten für 60 Gäste. Hoch konzentriert. Die Küche war wie ein einziger Organismus, der zusammenwirkte und in genauer Zeitabfolge hervorragende Speisen hervorbrachte.
    Tisch 1 will jemand vegan.
    Die Köche kratzten sich am Kopf.
    »Ich bin doch kein Arzt«, sagte einer.
    Der Chef: »Wir machen Folgendes …«
    12 Schollen waren fertig. Die Kellner nahmen Aufstellung.
    Los.
    Ein beeindruckendes Ballett.
    Auf engstem Raum bewegten sie sich. Nie berührten sie sich. Jeder mit Tellern beladen. Wie geübte Tänzer. Dengler versuchte herauszufinden, wie sie die Tür zum Speiseraum öffneten. Mit dem Fuß? Zu plump. Mit der Hüfte?
    Er fand es nicht heraus.
    Der Spüler geht als Letzter.
    Dengler war am

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