Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
wilde Überraschung, und das Gefühl, betrogen worden zu sein, grub sich in ihren Bauch.
    Piers stürmte wieder in die Hütte, das Telefon in der Hand.
    »Mein Gott, Piers«, sagte Lily, »du suchst dir wirklich immer den schlechtesten Zeitpunkt aus.«
    Piers sah sie verständnislos an, dann sah er zu Kristie, die seinen Blick nicht erwidern wollte, und auf sein Telefon. »Tut mir leid«, stammelte er. »Aber …«
    »Was?«
    »Nathan schickt das Flugzeug zurück. Es bringt dich nach Hause. Dich auch, Kris, wenn …«
    »Lass mich in Ruhe«, brauste Kristie auf.
    In Lily keimte Besorgnis auf. »Piers, sag mir, was passiert ist.«
    »Es ist Benj«, sagte Piers widerstrebend. »Es hat einen Unfall gegeben. Ein weiterer Angriff auf Energiepflanzen. Die
Polizei hat das Feuer eröffnet - er hat versucht, dazwischenzugehen …«
    Und Lily verstand. Sie hatte es mindestens zweimal geschafft, Benj vor seinem Gewissen zu bewahren, in Greenwich und dann auf Dartmoor. Aber diesmal war sie nicht für ihn da gewesen.
    »Ist er tot?« Kristie lief zu Piers. » Ist er tot? «

51
    MÄRZ 2025
    Aus Kristie Caistors Sammelalbum:
    Die Webcam konzentrierte sich auf das runde Gesicht des kleinen John Ojola. Er war sechs Jahre alt, sah aber viel jünger aus, wie drei vielleicht; wegen des Nahrungsmangels war er im Wachstum zurückgeblieben, seine Arme und Beine wie Zweiglein, sein Bauch unter den Rippen aufgedunsen. Er lag in den Armen der Mitarbeiterin einer christlichen Hilfsorganisation, die keine Nahrung für ihn hatte, hier in diesem Flüchtlingslager in Teso in Uganda. Johns riesige, leuchtende Augen, die trotz der Fliegen, die an seinen Tränen nippten, niemals zwinkerten, schienen den Betrachter durch die Kamera anzublicken.
    Kinder wie John hatte man seit den 1960er Jahren immer sehen können. Sein kurzes Leben war voller Schmerzen. Nur wenige Besucher auf der Website dieser karitativen Organisation verweilten länger als ein paar Sekunden bei seinem Bild.
    Doch nun war John abgelenkt; sein Kopf kippte seitlich gegen den Arm der Helferin. Auch sie wandte den Blick ab, weil sie etwas viel Ungewöhnlicheres sah als ein weiteres hungriges Kind.
    Das Lager existierte bereits seit etlichen Jahren - aber dieses Jahr war alles anders als früher. Dieses Jahr gab es Überschwemmungen
in weiten Teilen Afrikas, von Senegal, Mauretanien, Mali und Burkina Faso im Westen bis nach Kenia, Sudan und Äthiopien im Osten; einige der ärmsten Länder des Kontinents waren betroffen. Es gab ohnehin schon wenig überschüssige Nahrung, und nun machten die Fluten es den örtlichen Bauern unmöglich, die Saat für die diesjährige Ernte auszubringen: Maniok, Hirse und Erdnüsse. Die überschwemmten Straßen behinderten alle Hilfsversuche. Und da das steigende Wasser Quellen und Brunnen verseuchte, stieg die Anzahl der Durchfall- und Malariaerkrankungen immer weiter an.
    John erinnerte sich nicht an die letzte große Überschwemmung in diesem Teil Afrikas, damals im Jahr 2007, ausgelöst von einem La-Niña-Ereignis im Pazifik. 2007 war das Wasser schließlich wieder gesunken. Dieses neue Hochwasser jedoch stieg immer weiter.
    Und John starrte die Familie an, die gerade zu Fuß ins Lager gekommen war. Die vier Personen waren elegant gekleidet - die beiden Kinder trugen robuste AxysCorp-Latzhosen, die Frau ein weites Gewand -, obwohl sie alle staubbedeckt waren von ihrer langen Wanderung. Der Mann trug sogar einen Straßenanzug, in solcher Eile hatten sie aus der versinkenden Stadt Kitgum fliehen müssen.
    Sie fanden einen leeren Platz auf dem schmutzigen Boden und setzten sich. Die Frau untersuchte ihre blutenden Füße und kümmerte sich um ihre Kinder.
    Der Mann im Anzug blickte zu den Helferinnen auf. Er hob ihnen seine hohlen Hände entgegen. » S’il vous plaît? Bitte …«

52
    APRIL 2025
    Gary wartete am Quarantänezaun um Cadillac City auf Thandie Jones. Er erspähte sie hinter dem letzten Tor, wo ihre Papiere, Fingerabdrücke und Netzhäute erneut von Lone Elks Seminolen-Wachleuten überprüft wurden.
    Er hatte sie fünf Jahre lang nicht gesehen. Sie musste jetzt über vierzig sein. Hochgewachsen, mager und drahtig, die dunklen Haare kurz geschoren, trug sie einen robust wirkenden, häufig geflickten, langlebigen blauen AxysCorp-Overall. Ihr einziges Gepäckstück war ein kleiner Segeltuchrucksack. Eine Woche lang hatte sie im Quarantäneverfahren von Cadillac City festgesessen, und sie sah aus, als wäre sie mit ihrer Geduld am

Weitere Kostenlose Bücher