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Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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alles weggegeben wird. Ist es eine Sünde, sich so was zu wünschen?«
    Sie stiegen wieder zur Baumreihe hinauf, in die relative Kühle des Waldes.

64
    Im späteren Verlauf des Tages, an dem Lily dem Nazca-Floß ihren letzten Besuch abgestattet hatte, gab Nathan Lammockson in einem Salon seines noch immer nicht fertiggestellten Schiffes in Chosica eine sogenannte »Äquator-Überquerungsparty«. Lily war nach dem Abstecher nach Nazca erschöpft. Aber es war eine Veranstaltung, der man nicht fernbleiben konnte, wenn man Lammockson so nahestand wie sie.
    Unter einer riesigen, animierten Weltkarte an der Wand, die immer wieder das steigende Meer und die versinkenden Kontinente zeigte, spielte Lammockson den Gastgeber. Lily, die sich mit einem Hosenanzug so schick herausgeputzt hatte, wie es nur ging, hielt ein Glas Fruchtpunsch in der Hand und fühlte sich unwohl. Juan Villegas trug einen modischen Anzug und sah genauso aus, wie man es von ihm erwartete. Das Gleiche galt auch für Amanda an seiner Seite. Schlank und auf ihre spröde Weise elegant, war Amanda mit Mitte fünfzig immer noch schön. Das Alter stand ihr tatsächlich, dachte Lily manchmal; sie sah gut aus mit den Falten in ihrer Stirn, den Linien, die ihre Augen umrahmten, und der gespannten Haut am Hals, selbst wenn sie sich die Haare färbte.
    Lammockson hatte ein Streichquartett aufgetrieben, das auf sein Geheiß beruhigende klassische Stücke spielte. Die
Musiker waren aus den Flüchtlingsströmen herausgefiltert worden; Lammocksons tüchtige Personalabteilung hatte ihre Fähigkeiten entdeckt und für gut befunden. In den Menschenmengen, die aus dem Tiefland emporspülten, ließ sich mit ein wenig Geduld jedes gewünschte Talent finden.
    Die nicht verglasten Bullaugen, die den noch unfertigen Salon säumten, boten Ausblick auf Chosica und seine weitläufige Arbeiter-Hüttensiedlung, ein grimmiger Kontrast zur glanzvollen Atmosphäre an Bord des Schiffes. Lily war sich des Murrens über Lammocksons grandiosen Prunkbau nur allzu bewusst. In den 1930er Jahren hatte die ursprüngliche Queen Mary die Industrieproduktion von sechzig britischen Städten verschlungen und war auf einer Schiffswerft mit jahrzehntelanger Erfahrung gebaut worden. Lammockson hingegen hatte nicht nur sein Schiff bauen, sondern auch die dazugehörige Industrie aus dem Boden stampfen müssen, und dafür hatte er Perus technologische Ressourcen nahezu aufgebraucht.
    In Anbetracht der Atmosphäre war es wirklich keine besonders tolle Party. Lily nahm ihren Mut zusammen, um ein paar angemessene Worte zu Lammockson zu sagen. »Wir sind so müde, Nathan. Hundemüde. Der unablässige Druck der Ereignisse, wissen Sie?«
    »Irgendwie erbarmungslos, nicht wahr?« Er nahm einen ordentlichen Schluck von seinem Drink, einem Mash Whiskey mit Wasser. »Aber, zum Teufel, das heißt nicht, dass man sich nicht amüsieren sollte. Deshalb veranstalte ich diese Meilenstein-Partys. Jedes Mal, wenn wir etwas zu feiern haben, sollten wir ein paar Flaschen den Hals brechen.«
    Sie musste lächeln; einen kurzen Moment lang hatte er
wie der archetypische Londoner geklungen. »Ja, aber Nathan, ich verstehe nicht mal, was für einen Meilenstein wir hier feiern. ›Äquatorüberquerung‹? Was für ein Äquator?«
    Er grinste. »Das gebe ich später noch bekannt, aber weil Sie es sind … Den Eierköpfen zufolge ist heute der Tag, an dem das Wasser auf mehr als achthundert Meter über das alte Normalnull steigt. Nun, Sie wissen so gut wie ich, dass solche Zahlen immer strittig sind. Ich meine, die Messung des Anstiegs selbst wird lückenhafter, weil die Radarsatelliten vom Himmel fallen, und außerdem war die Höhenmessung schon immer beschissen. Sie waren heute in Nazca, das gerade untergeht, und sollte das nicht auf einer Höhe von sechshundert Metern liegen? Wie auch immer, die Intelligenzbestien sagen, es sind heute achthundert Meter, also sind es achthundert. Verstehen Sie jetzt, weshalb wir einen Äquator überqueren?«
    Sie nickte. »Weil achthundert Meter die Fünfzigprozentmarke sind.«
    »Richtig. Am heutigen Tag haben wir fünfzig Prozent der ehemaligen Landfläche der Erde verloren. Natürlich ist der Prozentsatz der verlorenen nutzbaren Fläche viel höher, Grönland und die alte Antarktis sind schließlich immer noch da, Eiswüsten, die nutzlos über die Wellen ragen, und all die Gebirgsketten … Trotzdem, fünfzig Prozent. Und ungefähr fünf Sechstel der menschlichen Bevölkerung sind vertrieben

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