Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood

Titel: Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
mir leid. Ich heiße Piers.«
    »Piers! Na so was. Ich bin Molly.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Molly.«
    »Sie sind doch kein Polizist, oder? Warum stehen Sie dann in meiner Eingangstür?«
    »Ich bin Soldat.«
    »Oh«, sagte sie, als würde das alles erklären. »Na, dann helfen Sie mir doch mal in den Mantel, mein Lieber.«
    Er zögerte eine Sekunde. Dann betrat er das Haus, um ihre Tasche und ihren Mantel zu holen. Die Diele war klein und eng, die Wände waren mit Fotos und gerahmten Stickereien gepflastert, und der Geruch nach selten gewaschenen Wollsachen hing in der Luft, wurde jedoch mehr und mehr von dem Flussgestank überlagert. Piers entdeckte einen schweren Mantel an einem Garderobenständer und hielt ihn ihr hin.

    »Sie haben doch Ihren Wagen da, oder?«
    »Einen Wagen? Nein.«
    »Dann einen Krankenwagen. Wie wollen Sie mich denn ins Krankenhaus bringen?« Sie sah auf das schmutzige, stetig steigende Wasser hinunter. »Ich meine, hier kann ich nicht bleiben, und mit meinen Knien kann ich doch nicht laufen.«
    »Nein, wohl nicht.« Er warf einen raschen Blick auf die Straße hinaus. Ein Polizist in Watstiefeln und knallgelber Jacke kämpfte sich den Bürgersteig entlang und hämmerte an Haustüren. Der Evakuierungsbefehl. Reichlich spät. Türen öffneten sich, Leute kamen widerstrebend aus ihren Häusern, Kinder auf den Armen und Koffer sowie Bündel mit ihren Habseligkeiten in den Händen.
    Piers sah Molly an und senkte den Blick wieder auf das strudelnde Wasser. Das schaffe ich wenigstens, dachte er.
    Er legte der alten Dame die Hände auf die Schultern. »Sind Sie sicher, dass Sie alles haben, was Sie brauchen? Ihr Sparbuch, Ihre Versicherungskarte …«
    »O ja, alles eingepackt, Kevin hat mir eine Liste gegeben. In großer Schrift, er ist wirklich sehr fürsorglich.«
    »Es ist mir ja ein bisschen peinlich, aber müssen Sie vielleicht noch mal ins Bad? Ich weiß nicht, wann wir zu einer Toilette kommen.«
    Sie lachte. »Mir geht’s gut, mein Lieber. Dann wollen wir mal.« Sie blickte an ihm vorbei. »Ich sehe immer noch keinen Wagen.«
    »Tja, ich habe auch keinen, tut mir leid. Mal sehen, wie wir das hinkriegen.« Piers wühlte unter seiner Jacke und zog den Gürtel aus seiner Hose. Schnell fädelte er ihn durch den
Griff der Tasche, schnallte ihn zu und hängte sich die Tasche um, so dass sie ihm auf den Rücken baumelte, über dem schmaleren Verbandskasten. Sie war nicht sonderlich schwer. Dann streckte er die Hände nach Molly aus. »Also dann, Madam …«
    Als er sie hochhob, lachte sie erneut. »Du meine Güte, was ist das heute bloß für ein Tag.« Aber sie legte ihm die Arme um den Hals und machte es sich bequem.
    Er stand in der Diele und balancierte ihr Gewicht aus. Sie war eine kräftige, schwere Frau, doch wenn er sich gerade hielt, wirkte die Tasche auf seinem Rücken wie ein Gegengewicht. Er wusste, dass er während seiner Gefangenschaft abgemagert war, dass seine Muskeln geschrumpft waren - er würde nicht ewig durchhalten. Aber vielleicht einen Kilometer weit, das traute er sich zu. Womöglich reichte das. »Auf geht’s, Molly.« Vorsichtig stieg er über die Sandsäcke hinweg und trat auf den Weg hinaus.
    Er ließ sie nach einem Schlüssel suchen, damit sie die Tür abschließen konnte. »Das letzte Mal bin ich von meinem Benny über diese Schwelle getragen worden, aber in die andere Richtung. Also, den heutigen Tag werde ich garantiert nicht vergessen.«
    »Mein Rücken auch nicht«, sagte Piers kläglich und stapfte den Weg entlang.
    »Und diese Sandsäcke stammen noch aus dem Krieg. Wirklich. Ich war damals ein kleines Mädchen, aber ich weiß es noch wie heute. Mein Dad hat den Sand in seinem Garten verbuddelt, aber die Säcke hat er immer behalten, man kann ja nie wissen, wann die wieder anfangen, hat er gesagt, und in gewissem Sinn hat er recht gehabt, nicht wahr …«

    Piers ließ sie reden. Er senkte den Kopf, um den Regen nicht ins Gesicht zu bekommen, und ging langsam und vorsichtig weiter in östlicher Richtung, zu den Gleisen der DLR. Die Strömung war stark, und obwohl das Wasser ihm noch nicht bis zu den Knien reichte, zog es mit verblüffender Kraft an ihm. Ein Schritt, dann noch einer in dem strudelnden, immer übler riechenden Wasser. Er war fest entschlossen, sich weder umwerfen zu lassen noch zu stolpern.
    »Oh, diesen Tag werde ich nicht vergessen, ganz bestimmt nicht. Bin ich Ihnen auch wirklich nicht zu schwer? Irgendwo hab ich ein paar

Weitere Kostenlose Bücher