Die letzte Flut - Die letzte Flut - Flood
Thandie erstattet darüber in ihrer Hierarchie Bericht, nämlich an die National Science Foundation in den Vereinigten Staaten. Aber keine Regierung, kein internationales Gremium will sie unterstützen - schon gar nicht der IPCC, der Weltklimarat -, denn damit wäre ihren Worten nach das stillschweigende Eingeständnis verbunden, dass es ein echtes Problem gibt.«
Piers schnaubte. »Tja, was soll sie auch anderes sagen? Sonst müsste sie ja einräumen, dass ihre ›wissenschaftlichen Theorien‹ möglicherweise ein Haufen Unfug sind.«
»Nun, jetzt hat sie aber doch finanzielle Mittel bekommen - durch mich.«
Helen begriff. »Nathan Lammockson. Sie hat ihn angezapft.«
Gary grinste. »Der alte Nathan verbrät seine Kohle gern für nützliche Dinge, vor allem wenn es ihm Publicity einbringt. Und was wäre publicityträchtiger als die Rettung der Welt? Jedenfalls ist dieses neue Forschungsprojekt in Island angesiedelt, und ich gehe dorthin. Und ich möchte dich dabei haben, Lily.« Er senkte die Stimme. »Ich weiß nicht, worauf wir da draußen stoßen werden. Deshalb hätte ich gern jemanden bei mir, dem ich vertrauen kann.«
Sie lächelte. »Und ich bin das Beste, was dir eingefallen ist?«
»Du bist gut genug«, sagte er ernst. »Und außerdem wirst du mir helfen, Nathan an Bord zu behalten.«
Helen runzelte die Stirn. Sie zeigte nach Süden. »Ist der Wasserspiegel nicht ein bisschen höher als gerade eben? Dieser Mülleimer da drüben ist beinahe schon im Wasser verschwunden … Die Ladenfronten … Ich bin sicher, so war’s vorher noch nicht.«
Harry, der Marinesoldat, winkte vom Boot, in hüfthohem Wasser.
»Du hast recht«, sagte Piers. »Wir müssen los. Das war’s dann also.«
Einen Augenblick noch standen sie beieinander, die vier Geiseln und Thurley. »Vergesst mich nicht«, sagte Helen wehmütig. »Mich und Grace.«
»Ganz bestimmt nicht«, versprach Lily.
»Komm schon, Lily«, blaffte Piers, »bringen wir dich nach
Hause.« Er nahm sie am Arm, eilte mit ihr die Treppe hinunter und platschte durch immer tiefer werdendes Wasser zum Boot.
Als sie nach Fulham zurückkamen, hatte sich der Fluss bereits dramatisch verbreitert - eine kleine Steigung des Wasserspiegels, die eine enorme Ausdehnung der Wasserfläche landeinwärts über die niedrig gelegenen Straßen zur Folge hatte. Diesmal gab es keinen Sturm, nichts als klaren blauen Himmel. Das Wasser stieg einfach, ohne ersichtlichen Grund.
Vom Boot aus eilte Lily zu Amandas Haus. Sie sah einen Mannschaftswagen der Polizei durch das Wasser auf der Fulham Road pflügen und hörte eine Lautsprecherstimme, die eine Evakuierung anordnete. Anwohner stellten Babytragetaschen und Wasserflaschen, Koffer und Bündel in Decken gehüllter Sachen auf die Straße. Andere, die offenbar selbst jetzt noch entschlossen waren, in ihren Häusern zu bleiben, dichteten Auffahrten und Türen fieberhaft mit Sandsäcken ab. Obwohl sich um den Wassertank bereits ein Teich gebildet hatte, standen Anwohner in Gummistiefeln und wasserfesten Hosen dort an, die »Yuppies« und der »alleinstehende Vater«; aus dem Messinghahn kam immer noch Wasser. Aber Lily war klar, dass es keine weiteren Lieferungen mehr geben würde.
Amandas Haustür stand offen. Lily eilte hinein. Schwarzes, stinkendes Schmutzwasser rann die Treppe herab. Lily sah die beiden Kinder vor dem Fernseher sitzen, der wie durch ein Wunder lief; der Strom war also noch nicht ausgefallen. Die Kinder wirkten bedrückt, sie hatten offenbar keine große Lust, das Haus zu verlassen.
Amanda kam in ihren Gummistiefeln mit Rucksäcken und Kleiderbündeln von oben herunter. Sie trug immer noch ihr Büro-Outfit. »Lily, Gott sei Dank, du bist wieder da. Kannst du mir mit dem Zeug hier helfen? Es ist wieder aus dem Klo gekommen. Man soll einen Sandsack reinstopfen, aber das hat letztes Mal auch schon nicht funktioniert. Tja, das war’s dann, oder?«
Lily schnappte sich ein paar Bündel. »Ich habe gehört, wie sie die Leute aufgefordert haben, ihre Häuser zu räumen.«
»Sie bringen’s in den Nachrichten.« Amanda ließ den Blick über den Dreck auf der Treppe und die feuchten, schimmeligen Stellen an den Wänden schweifen. »Gerade wenn man denkt, es ist vorbei, wenn man die Nase so richtig voll hat, geht alles wieder von vorne los.« Sie wirkte eher wütend als gestresst, eher grimmig als panisch. Lily fragte sich, ob es sie in gewisser Weise erleichterte, dass der schlimmste Fall nun endlich eingetreten
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