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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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nehmen. Ein schönes warmes Bad in Öl und Wein…«
    Japeth wurde an den Armen hochgehoben und zur Wanne hinübergetragen. Er konnte sich nicht wehren. Eher erstaunt als entsetzt stellte er fest, dass er es zuließ, dass die Rüpel ihn wie eine Leiche in einer Kiste aufbahrten: Sie fesselten ihn an Knöcheln und Handgelenken und legten unter seinen Kopf einen großen unbequemen Stein.
    »Das ist nur, damit du nicht ersäufst«, sagte einer der Männer – er war sehr sachlich und erledigte seine Aufgabe so gewissenhaft wie eine Mutter, die dabei war, ihr Kind zu baden.
    Als er dann richtig in der Wanne lag – ausgestreckt und hilflos –, fingen die Frauen an, zuerst die Öl- und dann die Weinkrüge über Japeths Körper auszugießen, bis er regelrecht in dem Zeug schwamm. Das Öl war ranzig und der bläuliche Wein so sauer, dass er fast schon Essig war. Er ätzte seine Augen und seine Geschlechtsteile und seine Achselhöhlen und seine Lippen, und als er zu atmen versuchte, merkte er, dass die Dämpfe auch seine Nasenhöhlen ätzten. Und bevor ihm ganz klar wurde, was sie taten – hoben die beiden finsteren Männer, die ihn in die Wanne gelegt hatten, den Deckel und ließen ihn direkt auf ihm nieder: bamm! Japeth schrie – wusste aber, dass niemand ihn hören konnte.
     
     
    Als seine Augen etwas weniger brannten und sich allmählich an die Dunkelheit in der Wanne gewöhnten, wurde Japeth bewusst, dass der Deckel über ihm mit aberhundert winzigen nagelkopfgroßen Löchern versehen war – durch diese Löcher konnte er nicht nur atmen, sondern zum Teil auch das Flackern der nahen Feuerstellen erkennen.
    Undeutlich konnte er die Stimmen seiner Peiniger hören, die je lauter sangen, je trunkener sie wurden, während sie warteten, bis er gut durchmariniert war. Ab und zu kam einer zur Wanne gelaufen und rief: »Diesmal haben wir wohl einen zähen Reifen erwischt«, oder »Je länger wir ihn drin lassen, umso zarter wird er!«
    In der Zwischenzeit kam ab und zu eine der Frauen vorbei, offensichtlich die Hauptköchin, hob den Deckel unmittelbar neben Japeths Kopf an und warf eine Hand voll Kräuter, eine Knoblauchknolle oder ein Dutzend dicke Zwiebeln hinein. Einmal hob sie den Deckel so hoch, dass er ihr Gesicht sehen konnte – sie schaute ihm direkt in die Augen und grinste. Dann leerte sie eine Flasche mit etwas unerträglich Scharfem und Klebrigem über seinem Kopf aus und sagte: »Hier, damit deine feinen Haare lockiger werden!«
    Und bumm!
    Wieder fiel der Deckel.
    Langsam und gegen seinen Willen sank Japeth in eine Art Schlaf, der sowohl der von der Angst verursachten Erschöpfung als auch dem Luftmangel zu verdanken war. Und während er schlief oder vielmehr döste, träumte er vom Sichtreiben-Lassen im Fluss, von Wasserfällen und stillen Untiefen.
    Als er aufwachte, hörte er Donnergrollen und das schwere Trommeln des Regens, der in Strömen auf seinen Deckel fiel.
    Zuerst kam er nicht auf den Gedanken, dass der Regen ihn gefährden könnte – er dachte nur: Der Regen wird ihre Feuer löschen.
    Zum ersten Mal, seit man ihn gefangen genommen hatte, sah Japeth einen Hoffnungsschimmer. Sie werden mich nicht roh essen, dachte er. Wenn sie mich roh essen wollten, hätten sie es schon getan …
    Aber dann, ganz langsam nur, wurde ihm bewusst, dass er näher am Deckel schwamm und seine Nase diesen schon berührte. Der Regen sickerte durch die nagelkopfgroßen Löcher und füllte allmählich seinen Sarg: Er würde ertrinken.
    Warum kam ihm niemand zu Hilfe?
    Natürlich würden sie ihn, nach all der Mühe, die sie sich gemacht hatten – stundenlanges Marinieren – die Kräuter – der Wein – der Knoblauch –, hier nicht »verderben« lassen.
    »Hilfe!«, rief er – und da füllte sich auf einen Schlag sein Mund mit der furchtbaren Marinade und er merkte, wie nahe er dem Ertrinken war. Nur seine Nase ragte noch aus der Flüssigkeit heraus.
    Der Donner war jetzt so nah, dass er unmittelbar auf jeden Blitz folgte – und Japeth bekam wieder Angst, er könnte auch ohne die Feuer der Banditen bei lebendigem Leib gesotten werden, falls der Blitz seine Wanne traf.
    Er hatte einmal gesehen, was passierte, als man einen eisernen Kessel im Sturm draußen gelassen hatte; als ein Kugelblitz den Kessel traf, wurden alle Fische darin gekocht.
    Seine Panik belebte jetzt seinen Geist – und plötzlich konnte er klar denken. Jeder Adrenalinstoß brachte einen neuen Gedanken – und alle fügten sich so aneinander, dass er

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