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Die letzte Flut

Die letzte Flut

Titel: Die letzte Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Findley
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hört!«, und klopfte mit seinem goldenen Taschenmesser gegen seinen Kelch.
    Japeth blickte zum Oberbefehlshaber der gesamten Engelschar hinüber und murmelte: »Hört, hört!«, doch er hatte nichts außer seinem Jagdmesser, womit er an seinen Kelch klopfen konnte. Als er es dann tat, kippte der Kelch unter dem Gewicht des bleiernen Messergriffs um und schüttete Japeths Tee mitsamt dem Eis auf seinen Schoß. Japeth spreizte seine Knie und ließ Boden gleiten, wo es neben seinen Füßen das Eis zu schmolz.
    Jahwe sagte: »Wir haben auf Erden keinen treueren Freund als Noah Noyes – und Wir danken ihm für seine Gastfreundschaft…«
    Noah nickte und winkte mit der Hand ab, als missbillige er dieses Kompliment.
    »… und Wir danken ihm für seine Freundschaft…«
    Wieder nickte und winkte Noah.
    »… Wir danken ihm für seine Treue…«
    Und noch einmal.
    »… Wir danken ihm für seine Liebe.«
    Da erhob sich Noah und berührte zu Ehren des Gastes seine Stirn und seine Lippen.
    »Hört, hört«, sagte Michael Archangelis.
    Sarah starrte Noah fest an und Noah nahm wieder Platz.
    »Die Liebe«, sagte Jahwe – und schob dabei seine Pastille von einer Seite des Mundes zur andern, wobei er sie beinahe verlor, »ist das höchste Gut, das man jemandem schenken kann.«
    »Hört, hört.«
    »Ihre Seltenheit macht sie nicht nur großartig, sondern versetzt sie ins Reich des Erhabenen. Sie ist – Wir dürfen es euch sagen – das Glorreichste an der ganzen Schöpfung.«
    »Hört! Hört!«
    »Hört! Hört!«
    Es gab anhaltende Zustimmung für diese Worte; alle stimmten in die Zurufe und das An-den-Kelch-Klopfen mit ein, wozu einige die Ringe auf ihren Fingern, andere die Waffen in ihren Händen benutzten.
    »Die Liebe«, Jahwes Augen loderten jetzt leidenschaftlich auf. »Die Liebe ist das eine wahre Band…«
    »Hört, hört…«
    »Zwischen Gott und Seinen Engeln…«
    »Hört, hört…«
    »Gott und Mensch…«
    »Hört, hört…«
    »König und Untertan…«
    »Hört, hört…«
    »Lehnsherrn und Vasallen…«
    »Hört, hört…«
    »Herrn und Sklaven…«
    »Hört, hört…«
    Jahwe legte eine kleine Pause ein, als würde Er anhand Seiner Finger nachprüfen wollen, ob Er auch keine Form der Liebe vergessen hatte – und während dieser Pause ertönte ein ganz lautes Husten – es kam von Mrs Noyes am Ende ihres Tisches.
    Sarahs Blick ging in diese Richtung.
    »Aber leider«, sagte Jahwe, und Seine Stimme senkte sich zu einem dramatischen Flüstern, »müssen Wir euch sagen, dass Wir in letzter Zeit auf dieser Erde einen solchen Mangel an Liebe erlebt haben, dass Uns nur der Schluss bleibt: Es gibt keine Liebe auf dieser Erde außer der, die Wir hier und heute Abend in diesem Pavillon genießen dürfen.«
    Jeder lehnte sich nach vorn.
    Jahwes Hand ruhte auf Abrahams Nacken.
    »Wir haben auf Unseren jüngsten Reisen die Erde von einem Ende zum anderen durchquert – und Wir sagen euch: Seht, die große weite Welt ist vom Wahnsinn erfasst…« Jahwes Blick richtete sich auf die Gesichter vor Ihm. »Steine und Pfeile – Eier und Fäkalien. Wie Wir euch berichtet haben, sind Wir nicht nur geschmäht und angespuckt und verhöhnt – Wir sind auch mit Feuer und Schwert angegriffen worden. Unsere Kutsche und Unsere Pferde wurden auf der Straße angefallen, Wir sind dabei umgestürzt. Unsere Engel haben aus den Wunden geblutet, die sie sich bei Unserer Verteidigung zugezogen haben – und dennoch sind Wir selbst vom Schwert des Meuchlers getroffen worden – nicht einmal – sondern siebenmal …«
    Hier hielt Jahwe inne, um Seine Gedanken zu sammeln und Seine Gefühle möglichst unter Kontrolle zu bringen. Bei diesem Versuch rückte Hannah in Sein Blickfeld – und an sie richtete Er die folgenden Worte.
    »Wir sehen in das leuchtende Angesicht dieser Frau und Wir erröten bei dem Gedanken, was aus der Menschheit geworden ist. In ihren Augen und in ihrer Haltung erkennen Wir all das, was Uns beim Akt der Schöpfung beseelt hatte. Reinheit des Herzens und der Absichten. Ergebenheit und Unterwürfigkeit dem größeren Ruhm gegenüber…« Seine Stimme wurde leiser. »Et cetera. Sie ist, auch wenn diese Wahrheit Uns das Herz bricht, nur eine Einzige von Tausenden; Zehntausenden, wenn nicht sogar eine Einzige innerhalb der ganzen Menschheit…«
    Sogar Noah brachte dieses »eine Einzige innerhalb der ganzen Menschheit«-Gerede etwas auf, doch er unterdrückte seine Reaktion mit einem Schluck des entsetzlichen Tees und lehnte

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