Die letzte Flut
allen Gefahren zu retten.
Michael Archangelis grüßte Japeth, legte seine herrliche goldene Hand auf die blaue Schulter des Jungen und fragte: »Was kann ich für dich tun, mein Junge?«
Und Japeth sagte: »Ich will Krieger werden. Wie du.«
Ausgeruht und satt saß Jahwe in einem großen Sessel an einem Ende des Pavillons und streichelte Seine Katzen.
Der Sessel, der erhöht auf einem eigenen Podium stand, war mit Ihm in der Karawane mitgekommen. Noah hatte niemals so etwas Grandioses besessen. Die Rückenlehne war mit geschnitzten Darstellungen von Widdern und Stieren, die Armlehnen mit Kälbern und Lämmern verziert. Auf der Sitzfläche lagen Schaffelle – worüber Jahwes reinweiße Robe, von Tomatenaspik befleckt und voller Katzenhaare, bis zum Fußboden wallte. Weitere Schaffelle waren unter Seinen Füßen ausgebreitet und etliche Kopf- und Sofakissen stützten Seinen Rücken und hielten Seine Ellbogen von Seinen zarten, gebrechlichen Rippen fern. Jahwe atmete so schwer, dass Er manchmal mit den Ellbogen wie mit einem Blasebalg pumpen musste, um die Luft in Seine Lungen hineinzuzwingen.
Jahwes Katzen waren beide uralt und hießen Abraham und Sarah. Abraham war silbergrau und Sarah weiß mit blauen Augen. Sie lebten schon so lange bei Jahwe, dass niemand ihr Alter genau kannte. Sarah war träge und schien immer zu dösen – obwohl sich ihre Augen hin und wieder öffneten und jeden anstarrten, der sich zufällig in ihrem Blickfeld befand – auf eisige und oft vernichtende Art. Manch ein Bittsteller war mitten in seiner Rede ins Stocken geraten, wenn er Sarahs Blick begegnete – und war unverrichteter Dinge auf und davon gegangen, weil er im blauen Licht von Sarahs Augen seine Bitte nicht vorbringen konnte.
Abraham dagegen war weniger träge als verwöhnt. Er pflegte von Jahwes Fingern gefüttert zu werden und besaß sogar die Frechheit – obwohl Jahwe es nicht zu merken schien –, gelegentlich von Jahwes eigenem Teller zu fressen. Eine silbergraue Pfote erschien dann an der Tischkante und zog einen Hähnchenflügel oder ein Stück Butterbrot auf den Schoß hinunter. Manchmal entdeckte Jahwe den Rest einer Kruste auf seiner Robe und führte ihn gedankenlos an Seine Lippen.
Abraham war darüber hinaus auch extrem geil und Jahwe musste aufpassen, dass Er ihn nicht zu stark am Schwanzansatz streichelte. Wenn Er es tat, wurde Er gebissen – was eine Art Liebesbiss war, der, wenn man keine Katze ist, schmerzhaft sein kann.
Die Tische waren schon abgedeckt und alle, die mit Jahwe zugegen waren, hatten nur noch einen Kelch voll Eiswürfel und Kamillentee vor sich – den alle außer Jahwe verabscheuten.
Auf der einen Seite – die Engel – und auf der anderen – die Sterblichen, saßen sie an zwei verschiedenen Tischen: die Engel zu Jahwes Rechter und die Sterblichen zu Seiner Linken.
Jahwe ließ Hannah noch immer nicht aus den Augen und das war niemandem entgangen – vor allem nicht Mrs Noyes, deren Platz bei Tisch am weitesten von Jahwe entfernt war. Sie hatte vorgesorgt und ihren Kamillentee mit Gin versetzt und ihre Gedanken kreisten, ja rotierten geradezu um den unerträglichen Anblick von Hannah, die am Kopfende des Tisches saß, die Haare glänzend und frisch aufgesteckt, ihr Mieder mit Blumen geschmückt.
Wie gut es manche haben – und es geht doch nichts über die Jugend –, dachte Mrs Noyes; sie kniff die Augen zusammen und ihr Blick loderte so gefährlich auf wie der Sarahs. Wahrscheinlich denkt Seine Majestät jetzt, ich könnte auch so aussehen, wenn ich die Zeit dazu hätte; wenn ich die letzten drei Tage nicht in der Küche verbracht hätte, während die Obstgartenkönigin draußen in der Sonne Girlanden geflochten hat!…
Noah saß Jahwe am nächsten – beim bloßen Gedanken, dass sein alter Freund sich jetzt hier vor ihm befand, wurden seine Augen ein bisschen feucht – und dass sie nach so vielen Jahren der Trennung zusammen das Brot gebrochen und einander zugeprostet hatten, mit… (nun ja, es war Jahwes Lieblingsgetränk)… Kamillentee. Und an Noahs Tisch. In Noahs Pavillon auf Noahs Hügel. Wunderbar und erstaunlich. Ein Wunder.
Noah ließ sich von solchen Gedanken wegtragen; er ging sogar so weit, sich Hannah zuzuwenden und wollte sie gerade bitten »das im Buch zu notieren«, als er plötzlich wieder zu sich kam.
Jahwe hatte das Wort ergriffen.
»Die Gesellschaft wahrer Freunde ist wie die Gesellschaft von Heiligen…«
Michael Archangelis murmelte: »Hört,
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