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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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brennt erbarmungslos auf mich nieder, und müde werde ich auch, und außerdem hab ich die Nase voll.
    ›Mein Bruder, der zum ersten Mal bei diesem Geschäft ist, wird sicher bös auf die Nase fallen; vielleicht ist er schon zu dem verabredeten Kiefernwäldchen zurückgekommen‹, denke ich, und als man mir in einem Haus zwei Stücke abkauft, nehme ich das zum Anlaß, zum Kiefernwäldchen zurückzukehren. Mein Bruder ist nicht da. Ich esse das mitgebrachte Essen, lege mich hin, alle viere von mir streckend, gucke mir den Himmel an, der zwischen den Nadeln durchschimmert, und mache mir Sorgen, wie es ihm wohl ergehen mag. Zu hören ist nur der Wind, der durch die Kiefernwipfel streicht, und während ich noch denke, was für ein stiller Ort das doch ist, wie angenehm muß es doch sein, hier ewig zu schlafen, da bin ich schon unversehens eingenickt, und als ich die Augen aufmache, ist es schon vier Uhr.
    Ich tippele zur Bushaltestelle. Auch da ist mein Bruder nicht. Fünf Uhr ist schon vorbei, da kommt er mit einer Last auf dem Rücken, die seinen Kopf noch überragt, schwitzend und strahlend zurück.
    »Schwester, wie wär's mit Kartoffeln? Ich dachte, Kartoffeln sind nix, die sind zu schwer, aber dann hab ich sie doch eingetauscht.«
    »Sind das alles Kartoffeln?«
    »Nein, auch Reis und Bohnen und allerlei sonst.«
    Als wir im Bus saßen, dachte ich, was nestelt der denn da herum. Da fragte er: »Schwester, hast du Lust auf so was?« und hielt mir gekochte Pellkartoffeln hin, in Zeitungspapier eingewickelt. Während ich die völlig zu Brei gedrückten Pellkartoffeln aß, dachte ich tief bewegt, mein Bruder ist nun auch erwachsen geworden. Am Abend, nach dem Essen, breitete er noch immer stolz all die Sachen aus, die er eigenhändig erworben hatte, und sagte selbstgefällig:
    »Schwester, wenn ich das morgen zu Herrn Matsumura bringe, kauft er mir das ab. Meine Erfahrung ist, daß die großen Häuser der reichen Leute nichts einbringen. In den kleinen Häusern, da kriegt man was abgekauft. Geschäftemachen, das ist nicht Schicksal, sondern Beharrlichkeit.«
    Es gab meinem Herzen wieder Auftrieb, meinen Bruder so zu sehen.
    Zu dieser Zeit verkündete meine frühere Geisha-Schwester Karuta, sie wolle nach Shinano zurückgehen. Ihr Mäzen habe einen Schlaganfall erlitten und seine Frau sei vor Eifersucht immerzu mit den Nerven am Ende. All diese lästigen Dinge könne sie nicht länger ertragen, und wenn ihr Mäzen sterben sollte, stehe sie mit leeren Händen da. Sie glaube, es sei klüger, in die Heimat zurückzukehren und irgendwas anzufangen zu versuchen, solang es noch nicht zu spät dafür sei, auch wenn sie nur ein bißchen Geld habe.
    »Wollt ihr nicht mitkommen? Wenn wir in die Heimat zurückgehen, finden wir schon eine Möglichkeit, wieder unseren Unterhalt zu bestreiten«, sagte sie, aber mir bedeutete Shinano nichts als leidvolle Erinnerungen. Auch die Erinnerung an den Mann, den ich unter Einsatz meines Lebens geliebt hatte, verspürte ich jetzt nur noch ab und zu als zwickenden Schmerz tief im Innern meiner Brust. Alles, was mein Bruder und ich uns erhofften, war, Geld anzusparen, die Lizenz für einen Stand auf dem Markt, und sei er noch so klein, zu erwerben und irgendeinen Handel aufzuziehen.
    Wir hatten es so weit gebracht, daß wir Karamellen und Branntwein herstellten, und was wir in die Hände bekamen, brachten wir aufs Land, tauschten es gegen was auch immer ein und verkauften das dann. Damals war ich ganz zum Geldteufel geworden und tat alles, wenn ich nur meinte, es würde Geld einbringen. Das fanden auch andere Leute ganz praktisch, und wenn mir jemand sagte, er brauche bis zu dem und dem Tag Reis, dann beschaffte ich ihm pünktlich Reis, und demjenigen, der Korn brauchte, besorgte ich Korn.
    Ich hatte auch gehört, daß demjenigen Wünsche in Erfüllung gehen, der da, wo sieben Grabstelen beieinanderstehen, die mittlere mitnimmt und davon 49 Stück zusammenbekommt, und bin dann nachts zusammen mit meinem Bruder auf Stelensuche gegangen. Die mittlere von da, wo sieben Stück stehen, das gibt es nur höchst selten, aber beseelt von dem Wunsch, auf dem Markt einen Stand zu eröffnen, bekam ich sie schließlich doch zusammen. Ich verbrannte sie zu Asche, und die habe ich bis heute noch.
    Fünf Jahre sind es her, daß ich Schminke und Lippenstift fortgelegt habe, aber noch immer schien mir trotz allem ein Rest von Mädchenhaftigkeit geblieben zu sein.
    »Mädchen, bei deiner Jugend brauchst du doch

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