Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Mädchenvermieter ließen sich ihre »Ware« von Kidnappern und Menschenhändlern beschaffen undkümmerten sich herzlich wenig um die künstlerische Ausbildung ihrer zu Dirnendiensten gezwungenen Opfer, während die Kundschaft aus den neuen Angeboten die Erkenntnis gewann, daß sich auch »Liebe« in Silber und Gold umrechnen ließ.
Als die Obrigkeit gebot, das ausschweifende Gewerbe, das dem Shogun ein noch größerer Dorn im Auge war als der exzessive Alkoholgenuß seiner Kriegsknechte, auf bestimmte Distrikte zu konzentrieren, entstanden in Edo, dem heutigen Tokyo, und in Kyoto die berühmten lizensierten Amüsierviertel Yoshiwara bzw. Shimabara, die erst 1958 geschlossen wurden. Mochten unter den dort wie Sklavinnen eingeschlossenen und behandelten Frauen und Kindern anfangs noch talentierte Künstlerinnen ihre Dienste offeriert haben, verkamen die Viertel bereits zu Ende des 17. Jahrhunderts zu reinen Bordellvierteln, in denen nur noch dem Namen nach »Künstlerinnen« die Kunden delektierten, während die wirkliche musische Unterhaltung für wartende Dirnenkunden von professionellen, männlichen Spaßmachern geleistet wurde, die sich als Künstler, nämlich »Geisha«, bezeichneten.
Die Kunst der Unterhaltungskünstlerinnen war indes noch nicht völlig untergegangen. In Stadtvierteln, die von Literaten und Intellektuellen frequentiert wurden, hielten in größter Heimlichkeit junge Mädchen, stets von Razzien und der Einlieferung ins Bordellviertel bedroht, die alte Tradition von Tanz und Gesang vor gebildetem Publikum aufrecht, das diese Art von Unterhaltung schätzte. Es dauerte jedoch nicht lange, bis diese Künstlerinnen sich aus dem Untergrund der Illegalität ans Tageslicht trauten, indem sie sich ebenfalls »Geisha« nannten. 1760 wird die erste Unterhalterin in Yoshiwara erwähnt, die sich als »weibliche Geisha« bezeichnete, und es dauerte nicht lang, bis die traditionellenmännlichen Geisha sowohl an Zahl als auch an Beliebtheit ihren weiblichen Pendants an Anzahl und Beliebtheit dermaßen hoffnungslos unterlegen waren, daß die Kundschaft von der Kunstfertigkeit und Eleganz weiblicher Geisha schwärmte und für neuen Kundenandrang in den Bordellvierteln sorgte, die wegen übertriebenen Nepps und der Gefahr einer Infektion durch die Syphilis zunehmend gemieden worden waren. Die Dirnen im Amüsierviertel sorgten freilich argwöhnisch dafür, daß ihnen die Geisha nicht mit intimen Dienstleistungen Konkurrenz machten. Die Unterhalterinnen wurden einem Aufsichtsbüro, dem kenban , unterstellt und durften nur in Gruppen zu zwei oder mehr Geisha engagiert werden. Der Kunstfertigkeit der Geisha kamen diese Maßnahmen hervorragend zugute, und überdies war die Gefahr gebannt, daß auch die Geisha-Tätigkeit verboten werden könnte.
Noch einmal gelang es den Geisha in den beiden Metropolen Edo und Kyoto, in den Gasthäusern ihrer Reviere unter Einsatz von Gesang, Tanz und Instrumentalmusik eine neue Form von Unterhaltungskunst zu kreieren, die vor allem das gehobene Bürgertum faszinierte. Sie verstanden es, eine Atmosphäre erotischer Spannung zu schaffen, in der es einzig vom individuellen Geschick des Kunden abhing, ob er eine Geisha über den im Preis enthaltenen Flirt hinaus zu einer engeren Beziehung zu bewegen vermochte oder nicht.
Als Folge von Industrialisierung und Verwestlichung begann indes schon bald nach dem Ende der Militärherrschaft (1868) der Siegeszug der neuen Unterhaltungsmedien Radio, Kino und Schallplatte und neuer Vergnügen wie Tanzbars oder Motorisierung. All dies leitete den allmählichen Niedergang des traditionellen Geisha-Gewerbes ein, das den Kundenschwund wie noch stets in der Geschichte der Unterhaltungskunst durch verstärkte Hinwendung zur Prostitutionzu kompensieren suchte. Wirtschaftskrise und militärische Abenteuer beschleunigten den Verfall des luxuriösen Künstlertums, das die Geisha pflegten, so daß die häßlichen Seiten des Gewerbes immer deutlicher zutage traten, vor allem in der Provinz. Nur wenige Reviere im ganzen Reich, zum Beispiel Gion und Pontocho in Kyoto, konnten sich noch rühmen, daß ihre Kunden vorwiegend für musische Unterhaltung zu zahlen pflegten. Suwa, die Heimat der Verfasserin dieses Buches, zählte nicht dazu. Dort wie auch andernorts nutzten skrupellose Profiteure die Armut der Landbevölkerung aus, um gegen einen Kredit an die Eltern deren Kinder an Geisha-Häuser oder schlichte Bordellbetriebe zu liefern. Zeitungsartikel aus den
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