Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Unterhaltungskünstlerinnen zu Zechgelagen männlicher Gäste, wie es exakt der Geisha-Tätigkeit entspricht, dokumentieren, aus dem 11. Jahrhundert, doch aus ihnen geht eindeutig hervor, daß diese als »Kurtisanen« bezeichneten Künstlerinnen in einer weit älteren Tradition standen, die sich bis zum Jahr 730 zuverlässig zurückverfolgen läßt. Damals beschränkte sich die künstlerische Tätigkeit von Kurtisanen noch auf Gesang, Stegreifdichtung und Erzählungen, doch auch das Schmeicheln, das Heben der Laune des zahlenden Gastes, das als eine der wichtigsten Aufgaben jeder Geisha gilt, gehörte schon im Mittelalter zum Repertoire der Kurtisanen. Seit im 12. Jahrhundert zu den Unterhaltungskünsten noch der Tanz hinzukam, änderte sich am Wesen der Unterhaltungskunst nichts Wesentliches mehr, wenngleich sich Kleidung, Repertoire und Umfeld der Künstlerinnen selbstredend den wechselnden Zeitläuften und Moden anpassten.
Nun hat es in der Unterhaltungskunst mit musischen Darbietungen meist nicht sein Bewenden. Frauen, die sich als professionelle Unterhalterinnen und Schmeichlerinnen einem überwiegend männlichen Publikum stellen, begeben sich damit in ökonomische Abhängigkeit vom zahlenden Gast, und dieser nutzte seine finanzielle Machtposition seit eh und je auch dazu, der Unterhalterin weitergehende Dienste abzufordern, die zu leisten die Kurtisanen in Altertum und Mittelalter offensichtlich bereit waren. Ein religiös motivierter Keuschheitsbegriff oder gar Jungfräulichkeitskult war im alten Japan nahezu unbekannt. Es galt als natürlich, daß sich jede Zuneigung zwischen Mann und Frau auch sexuell manifestierte. Junge, aber von keinem Mann begehrte Frauen seien, so argwöhnte man, mit Krankheit, Fluch oder Makel behaftet. Allein der Buddhismus, der allerdings weniger die Wollust der Kurtisanenkunden als vielmehr das Verführen zu Fleischeslust als Sünde anprangerte und damit den Kurtisanen als Hauptmotiv ihres Künstlertums sexuelle Begierden unterstellte, trug dazu bei, daß die Unterhaltungskünste und ihre Virtuosinnen zunehmend in Mißkredit gerieten. Ihrer Beliebtheit tat dies keinen Abbruch; mit dem Auftreten der berühmtesten Kurtisanen Japans, die bis heute auf Theaterbühnen und in Mangas lebendig sind, schwang sich das Gewerbe der Unterhaltungskünstlerinnen gegen Ende des Mittelalters zu einem nie wieder erreichten Zenit auf.
In den folgenden Jahrhunderten geriet Japan unter die Herrschaft des Militärs, und dessen Samurai-Ideologie und Männlichkeitskult brachten den Kurtisanen manche bittere Demütigung. Den Kriegern waren Frauen, die sie als von Natur aus minderbemittelt schmähten, schon deswegen suspekt, weil sie imstande waren, Männer zu zärtlichen Gefühlen zu verleiten und damit die kriegerische Disziplin zu untergraben, ja selbst die von der Kriegerkaste geschaffene Gesellschaftsordnung zu bedrohen. Dieses anarchische Element, das im Prinzip jeder Frau zu eigen ist, verkörpern Unterhalterinnen, die hinreißend singen und verführerisch tanzen, in besonderem Maße. Exemplarisch wird in ganz Asien stets auf die Geschichte der chinesischen Schönheit Yang Guifei hingewiesen, die den Kaiser Xuanzong dermaßen bestrickte, daß sein Reich leichte Beute eines Rebellenheeres wurde. Im Abendland wird auf ähnliche Weise die schöne Helena für den Untergang Trojas verantwortlich gemacht. In dem Ausdruck »Keisei« (chines. »Qingcheng«, »bringt Festungen zu Fall«), mit dem Kurtisanen in Japan bis Anfang des 20. Jahrhunderts mitunter bezeichnet wurden, artikuliert sich dieses Mißtrauen gegen die geradezu magische Urkraft, über die Frauen aufgrund ihrer Sexualität verfügen und auf die Männer aufgrund mangelnder Selbstdisziplin oft mit verheerenden Folgen überreagieren, und führte unter der Herrschaft der Samuraikaste zu harten Maßnahmen zur Kontrolle des Unterhaltungsgewerbes. Diese dienten vor allem dem Ziel, die vordem freien Kurtisanen einem Patron zu unterstellen, der ihre Tätigkeit und Kundschaft jederzeit unter Aufsicht behielt.
Mit der Einführung der chinesischen Münzwährung im 14. Jahrhundert wurde aus den Unterhaltungskünsten ein florierendes Geschäft, an dem die Samurai kräftig mitverdienen wollten. Dies bedeutete für die Kurtisanen den endgültigen Verlust ihrer Freiheit, denn die Vorschriften ermöglichten es jedem herrenlosen Samurai, Kurtisanen in ein spezielles Haus zu pferchen und an zahlende Kundschaft zu vermieten. Die skupellosesten
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