Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
Vom Netzwerk:
hatten, bezeichneten die Grenze der Flut.
    Lange Zeit stand George Greggson auf dem einsamen Pfad und starrte auf den geschmolzenen Felsen zu seinen Füßen. Er versuchte sich zu sagen, daß es ein Streich des lange erloschenen Vulkans sei, gab aber bald diesen Versuch der Selbsttäuschung auf. Seine Gedanken wanderten zu jener viele Jahre zurückliegenden Nacht zurück, als er und Jean an dem törichten Experiment bei Rupert Boyce teilgenommen hatten. Niemand hatte jemals wirklich begriffen, was damals geschehen war, aber George wußte, daß in unerforschlicher Weise diese beiden seltsamen Ereignisse miteinander verknüpft waren. Zuerst war es Jean gewesen, jetzt ihr Sohn. George wußte nicht, ob er froh oder furchtsam sein sollte, und in seinem Herzen sprach er ein stilles Gebet: »Ich danke Ihnen, Karellen, für alles, was die Ihren für Jeff getan haben. Aber ich wollte, ich wüßte, warum sie es taten.«
    Er ging langsam an den Strand hinunter, und die großen weißen Möwen umkreisten ihn, ärgerlich, weil er kein Futter für sie mitgebracht hatte.
3
    Karellens Ansuchen schlug, obwohl es seit der Gründung der Kolonie jederzeit zu erwarten gewesen war, wie eine Bombe ein. Es stellte, wie jeder sofort begriff, eine Krise für Neu-Athen dar, und niemand konnte entscheiden, ob sich Gutes oder Schlimmes daraus ergeben würde.
    Bis jetzt war die Kolonie ohne jede Einmischung der Overlords ihren Weg gegangen; sie hatten sie völlig sich selbst überlassen, wie sie ja in der Tat die meisten menschlichen Tätigkeiten unbeachtet ließen, die nicht umstürzlerisch waren und ihre Verhaltensmaßregeln nicht verletzten. Ob man die Ziele der Kolonie umstürzlerisch nennen konnte, war ungewiß. Sie waren unpolitisch, gingen aber auf geistige und künstlerische Unabhängigkeit hinaus. Und wer wußte, was sich daraus entwickeln konnte? Die Overlords konnten vielleicht die Zukunft Neu-Athens klarer voraussehen als seine Gründer, und sie mochten nicht damit einverstanden sein. Natürlich, wenn Karellen einen Beobachter, Inspektor oder wie man ihn sonst nennen wollte, zu entsenden wünschte, so war dagegen nichts zu machen. Vor zwanzig Jahren hatten die Overlords angekündigt, daß sie ihre ganzen Überwachungsmittel ausgeschaltet hätten, so daß die Menschheit sich nicht länger beobachtet zu fühlen brauche. Jedoch die Tatsache, daß solche Mittel noch immer vorhanden waren, bedeutete, daß den Overlords nichts verborgen bleiben konnte, wenn sie es wirklich wissen wollten.
    Manche auf der Insel begrüßten diesen Besuch als eine Gelegenheit, etliche der kleineren Rätsel der Overlord-Psychologie zu lösen, nämlich ihr Verhältnis zur Kunst. Betrachteten sie Kunst als eine kindische Verirrung der menschlichen Rasse? Besaßen sie selbst irgendeine Form von Kunst? War in diesem Falle der Zweck des Besuchs rein ästhetisch, oder hatte Karellen weniger harmlose Beweggründe?
    All diese Angelegenheiten wurden endlos erörtert, während man die Vorbereitungen traf. Man wußte nichts über den Overlord, dessen Besuch erwartet wurde, aber man nahm an, daß er Kultur in unbegrenztem Umfang in sich aufnehmen könne. Wenigstens würde das Experiment versucht und das Verhalten des Opfers von einer Schar sehr kluger Köpfe beobachtet werden.
    Der jetzige Ratspräsident war der Philosoph Charles Yan Sen, ein ironischer, aber im Grunde heiterer Mann, noch nicht sechzig Jahre alt und daher noch in der Blüte des Lebens. Plato hätte in ihm das Beispiel des Philosophen-Staatsmannes gesehen, obwohl Sen keineswegs mit Plato einverstanden war, den er im Verdacht hatte, Sokrates gröblich mißzuverstehen. Sen war einer der Inselbewohner, die entschlossen waren, den Besuch nach Möglichkeit auszunutzen, wenn auch nur, um den Overlords zu zeigen, daß die Menschen noch sehr viel Initiative besaßen und noch nicht, wie er es ausdrückte, völlig gezähmt waren.
    Nichts in Neu-Athen wurde ohne eine Kommission getan, dieses letzte Merkmal der Demokratie. Tatsächlich hatte irgend jemand einmal die Kolonie als ein System von ineinandergreifenden Kommissionen bezeichnet. Aber das System funktionierte, dank der geduldigen Studien der Sozialpsychologen, die die wirklichen Gründer Neu-Athens gewesen waren. Da die Gemeinschaft nicht allzu groß war, konnte jeder an der Verwaltung Anteil nehmen und im besten Sinne des Wortes ein Bürger sein.
    Es war fast unvermeidlich, daß George, als führendes Mitglied der Künstlerhierarchie, dem Empfangskomitee

Weitere Kostenlose Bücher