Die letzte Hürde
verhängt war. Er brummte freudig, doch die Menschen da drüben schienen ihn nicht zu bemerken. Vielleicht waren sie zu aufgeregt, vor allem der dicke ältere Mann und das hübsche Mädchen. Sicher war es besser, ein wenig zu warten, bis sich der Zorn gelegt hatte. Doch der schien immer schlimmer zu werden.
„So wahr ich hier stehe, du wirst den Friedrich heiraten!“ rief der Mann. „So war das abgemacht, und so bleibt es!“
„Aber Vater, wenn ich ihn doch nicht liebe! So grausam kannst du nicht sein, liegt dir nichts am Glück deiner einzigen Tochter?“ jammerte das Mädchen.
Zottel seufzte. Fanden die nie ein Ende? Und keiner wollte die Äpfel, wozu standen sie dann da rum?
„Glück?“ schnaubte der dicke Mann. „Der Friedrich ist der tüchtigste Bauer im Dorf, wenn das kein Glück ist, einen solchen Ehemann zu bekommen!“
„Ich werde den Friedrich nicht heiraten, Vater!“ schrie das Mädchen fast weinend. „Eher sterbe ich! Willst du den Tod deines Kindes? Vater!“ bettelte sie. „Sei doch nicht so hart! Ich muß es dir jetzt gestehen! Ich liebe einen anderen!“ Endlich wurde es ruhig da drüben. Sie schienen friedlicher zu werden. Es war der richtige Moment, einen Vorstoß zu wagen. Zottel sah sich nach einer Öffnung um. Das da rechts sah aus wie eine Tür. Auch wenn sie geschlossen war, allzuviel Widerstand würde sie ihm nicht leisten.
„Einen anderen?“ ächzte der Bauer auf der Bühne fast tonlos. „Wer ist es? Welcher gewissenlose Strolch wagt es, sich hinter meinem Rücken an mein unschuldiges Kind heranzumachen? Gestehe!“ Drohend ging er auf das Mädchen zu.
Die anderen Mitspieler wichen erschrocken zurück, nur eine ältere Frau, die die Mutter spielte, mischte sich ein. „Er ist ein rechtschaffener, ehrlicher Bursche“, begann sie ihre Verteidigungsrede, „lern ihn doch erst einmal kennen, ehe du so ein Urteil sprichst!“
„Wer ist es?“ Der Ton des Bauern klang bedrohlich. Trotzdem, Zottel hatte nun wirklich keine Lust mehr zu warten, er stapfte zur Tür hinüber.
„Das ist ja wohl ein ganz Schmächtiger!“ rief einer im Publikum.
„Hört sich an, wie ein Dreizentner-Schwergewicht!“ kicherte ein anderer.
„Auftritt Superman!“ rief eine junge Frau.
Die Darsteller sahen sich beunruhigt an.
„Wer ist es?“ wiederholte der Bauer seinen Satz, um den Anschluß an seinen Text zu finden.
Zottel war das gleichgültig, er dachte nur an die Äpfel. Rrrrums ! machte es, und die Tür gab splitternd nach. Zottel schüttelte ab, was von der Kulisse an ihm hängengeblieben war und schritt auf direktem Wege zum Tisch, indem er den dicken Mann sanft aber nachdrücklich zur Seite schob. Dann machte er sich in aller Ruhe über die Äpfel her.
Die Darsteller erstarrten zu Salzsäulen. Das Publikum schrie begeistert auf, tosender Beifall erfüllte den Saal. Endlich war auf der Bühne etwas los! Dieser langweilige altmodische Schinken von einem Stück war ja zum Einschlafen gewesen! Der dicke Darsteller des Vaters besann sich als erster. Er hielt das ganze für einen üblen Streich, den man ihm spielen wollte, und verließ wutschnaubend die Bühne. Die übrigen Mitspieler schlichen mehr oder weniger ratlos hinter ihm her. Zottel sah fröhlich mampfend ins Publikum und nickte den Leuten zu, wie er das in seinen Zirkusjahren gewohnt gewesen war.
Karlchen Brodersen rettete schließlich die Situation. Er war mit der molligen Trudi, der Tochter seines Chefs, in die Vorstellung gekommen und hatte die langweilige Aufführung dazu benutzt, sich hauptsächlich mit dem appetitlichen Anblick und der samtweichen Haut seines Herzensmädchens zu beschäftigen. So hatte er auch nicht gleich mitbekommen, was den Umschwung in der allgemeinen Stimmung bewirkte. Jetzt schaute er auf.
„Das ist doch Billes Zottel! Zottel, was hast du denn wieder angestellt!“
In ein paar Sätzen war er auf der Bühne und nahm das Pony am Halfter. Zottel hatte gerade den letzten Apfel vertilgt und ließ sich willig nach draußen führen, nicht ohne dem Publikum für den großen Beifall noch einmal mit einem freudigen Wiehern zu danken.
Von Karlchen geführt, der den anderen Arm fest um die mollige Trudi geschlungen hatte, kehrte das Pony hochzufrieden in seinen heimatlichen Stall in Wedenbruck zurück.
Ein Tag wie ein Alptraum
Natürlich machte Zottels neuester Streich am nächsten Morgen die Runde durchs ganze Dorf, würzte den Frühstückskaffee in den Bauernküchen, gab endlos Gesprächsstoff beim
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